Diebe aus Armenien
Wie das BKA in Erfurt ermittelteSechs Jahre lang hat das Bundeskriminalamt in Erfurt gegen die armenische Mafia ermittelt. MDR THÜRINGEN konnte tausende Seiten Ermittlungsmaterial auswerten.
Sie geben einen Einblick in den Clanalltag der armenischen Mafia in Thüringen.
Die Lage sieht nicht gut aus für Argo B.* (Namen geändert). Er blutet stark am Hinterkopf, wo eine große offene Wunde klafft. Er liegt hinten in einem Wagen. Auf der Fahrt von Luckenwalde gelingt es ihm, seinen Bruder Howan anzurufen, der in Erfurt auf ihn wartet. Der ahnt nicht, was an diesem 11. April 2010 auf einem Parkplatz in der kleinen Stadt bei Berlin passiert ist. Dort, wo Howan seinen jüngeren Bruder Argo gemeinsam mit drei anderen Armeniern hingeschickt hatte.
Howan fragt Argo ob er ok sei. Doch dieser stöhnt nur am Telefon, dass er sich eben "übergeben" hätte. Nein, es sei alles total schief gelaufen. "Die Schwuchteln sind auf uns zugekommen", wimmert Argo wütend ins Telefon. Howan fragt, ob es die "Bullen" gewesen wären? Nein, sagt Argo, es waren die "Anderen".
Die "Anderen" waren, nach den späteren Ermittlungen der Polizei, offenbar bezahlte Schläger. Sie sollten einen Geschäftsmann schützen, den Argo und seine Jungs erpressen wollten. 50.000 Euro sollte der Mann an die Armenier aus Erfurt zahlen. Als er nicht wollte, griffen sie ihn an. Doch was sie nicht ahnten, im Hintergrund warteten die "Anderen". Vermutlich angeheuert von einer Konkurrenz-Gruppe der Berliner Russenmafia.
Für Argo ging die Sache damals noch glimpflich aus, obwohl er schwer am Kopf verletzt wurde. Nach einem Krankenhausaufenthalt gab es gegen ihn und die Armenier ein Verfahren wegen räuberischer Erpressung. Er kam mit einer Bewährungsstrafe davon, zwei andere mussten in den Knast. Doch während die Polizei in Brandenburg und Thüringen in der Sache ermittelte, hörte eine Behörde die ganze Zeit heimlich mit: Das Bundeskriminalamt.
Bundeskriminalamt horcht seit 2009 mit Die BKA-Fahnder hatten 2009 von der Kripo Erfurt ein Verfahren übernommen, das - nach Auswertung der Akten - wohl eines der bis dahin aufwendigsten gegen die armenische Mafia in Deutschland war. Allerdings auch eines, das den Fahndern Unmengen an Daten und Informationen über die bis dahin noch relativ unbekannte Mafia-Gruppierung lieferte. Sechs Jahre lang, bis Ende 2015, versuchten die BKA-Spezialisten heraus zubekommen, wie die Drogengeschäfte der armenischen Gruppe aus Erfurt abliefen. Dafür hörten sie rund 70.000 Telefongespräche ab, verwanzten Autos und überwachten dutzende Clanmitglieder und ihr Umfeld. Doch ohne Erfolg. Dem BKA wurde klar, dass die Männer um Howan B., der offenbar der Kopf der Gruppe ist, sehr geschickt vorgingen. Immer wieder gelang es der Polizei, bei Grenzfahrten nach Tschechien, Polen, Italien oder Niederlande die Autos zu stoppen, doch Drogen fanden sie nicht.
Aber die Indizien häuften sich, dass enorme Geldsummen im Spiel sein mussten. In den abgehörten Telefonaten wurde der Kauf eines Hotels in Monaco besprochen, das einem bekannten Formel-1-Fahrer gehörte. Dann wieder sollte eine Million in Immobilien in Köln investiert werden. Ein Spielkasino irgendwo in Deutschland hatte die Erfurter Gruppe im Auge. Es gab Hinweise auf Immobilienkäufe in Spanien und anderen Ländern. Grundstückskäufe im Wert von bis zu 500.000 Euro für "Diebe aus Armenien". Dabei dürfte es sich um sogenannte "Diebe im Gesetz" handeln, höchste Autoritäten und die Bosse der russischen und armenischen Mafia. Doch wie genau die Erfurter Armenier das Geld machten, das blieb dem BKA verborgen.
Das Schmiermittel im Getriebe ist GeldDabei konnten die Fahnder mithören, wie es auch bei mutmaßlichen Mafia-Gangstern "menschelt". So beschwerte sich Howan B. in einem Gespräch, das "alle immer nur große Fresse haben und wenn es schlecht läuft, mir auf den Sack gehen. Und wenn es gut läuft, meldet sich keiner". Scheinbar die normalen Sorgen des Chefs einer "Mafia GmbH" irgendwo in Deutschland. Howan B. und seine Leute, so wird es in den abgehörten Gesprächen deutlich, steuern eine heute noch aktive komplexe Struktur. Sie besteht vor allem aus Interessen und Gegeninteressen.
Das einzige Schmiermittel für das Getriebe dieser Struktur ist Geld. Es ist ständig Thema in den Gesprächen, die das BKA belauscht. Dabei wird deutlich, dass die Männer andauernd unterwegs sind. Ein unglaublich hoher Grad an Kommunikation ist nötig, ständig wird telefoniert, doch die eigentlich mutmaßlichen kriminellen Geschäfte werden nur angedeutet. Es wird sich verabredet, in Restaurants, Clubs oder Spielotheken, die alle dem Clan gehören.
Da kommt beispielsweise der Anruf aus den Niederlanden. Offenbar von einer dort ansässigen armenischen Mafiazelle. Ein "Tiko" forderte Howan B. auf, "das Ding einzuschalten", die BKA-Fahnder vermuten, dass es sich um ein bisher nicht registriertes Handy handelt. Doch Howan wird nicht klar, was für ein "Ding" Tiko meint. Es geht eine Weile hin und her, dann wird kryptisch über ein "Auto" gesprochen, dass Tiko zurückgeben wolle und ein "Kleines für 4.000 Euro" nehmen will. In seinen seitenlangen Analysen der abgehörten Gespräche geht das BKA davon aus, dass es sich um Drogenbestellungen handelt - allein, es fehlte der Beweis.
Klar wird aber: Howan B. und seine Leute agieren nicht unabhängig. Immer wieder wird in Telefonaten deutlich, dass sie Teil einer größeren Organisation sind. Die auch aus anderen Ländern, wie Belgien, Frankreich, Niederlanden oder Tschechien gesteuert wird. Doch Erfurt, das zeigen die Akten, ist ein wichtiger Stützpunkt - auch aktuell. Das wird klar, als sich am 13. Juli 2014 mehr als ein Dutzend Männer in einer Spielothek im Erfurter Norden treffen. Darunter ein "Dieb im Gesetz", eine Autorität in der armenischen Mafia (MDR THÜRINGEN berichtete).
Schießerei in Erfurter SpielothekDiese Spielothek, das wusste das BKA schon 2009, ist so etwas wie eine "Zentrale" der armenischen Gruppe. Was dort passierte, ist inzwischen bekannt. Gegen 1:23 Uhr kommt es zu einem brutalen Showdown, der durch ein Überwachungsvideo festgehalten ist, das MDR THÜRINGEN vorliegt. 20 Schüsse fallen, zwei Männer werden verletzt und die Bilder zeigen eine Gruppe von Männern, die zu allem bereit sind. Offenbar ein Revierkampf unter armenischen Clans aus Erfurt, Leipzig und Berlin.
Dabei rückt auch das mutmaßliche Opfer, ein polizeibekannter Tschetschene, in den Fokus. Denn seine Rolle ist bis heute nicht geklärt. In den BKA-Unterlagen findet sich sein Name bereits 2011. Er soll einem anderen Mann gefälschte Pässe verkauft haben und im Kontakt zur armenischen Mafia stehen. Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN gibt es durch die Ermittlungen zur Schießerei auch eine Verbindung zu den aktuellen Terror-Ermittlungen gegen mehrere Tschetschenen aus Thüringen. Zwar steht der betroffene Tschetschene nicht auf der Beschuldigtenliste der Terrorfahnder, gleichwohl soll er im Blick der Sicherheitsbehörden sein. Es wird vermutet, dass er Waffen, falsche Papiere oder Gelder beschaffen könnte.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt und das BKA beendeten 2015 das jahrelange Verfahren - ohne eine einzige Anklage. Was nach einem Misserfolg aussieht, könnte für das BKA jedoch von Enormen Wert gewesen sein. Denn nach Informationen von MDR THÜRINGEN sind die Unmengen von Daten und Informationen nun Teil einer Deutschlandweiten Ermittlungsgruppe gegen die national und international vernetzten Clans der armenischen Mafia - auch in Thüringen.
Quelle + Video von der Schießerei in der Erfurter SpielothekSchmutzige Geschichte. Die Uwes als Observanten des BKA/LKA in dieser Geschichte?
Oder als Lockvögel eingeschleust, wie zu ihren Nazi-Bombenbauerzeiten bei Blood & Honour?