Spiegel macht ordentlich werbung:
Plattformen wie PI kultivieren diese Art
von Hetze schon seit Langem, Pegida
bringt sie nun auf die Marktplätze. Die
virtuelle Welt der Rechten belebt die analoge. Der Hass wird greifbar, hörbar, körperlich.
„Pegida als Volksbewegung“, sagt Jürgen
Elsässer, „ist vielleicht die letzte Chance,
die wir haben, um dieses Volk zu retten.“
Auch Elsässer ist ein gefragter Redner bei
Pegida, er war einst Lehrer und Mitglied
im Kommunistischen Bund, er schrieb für
linke Blätter wie „konkret“ und „Junge
Welt“.
Noch heute beklagt er den „Imperialismus“ der Amerikaner und ruft zum „Widerstand gegen das internationale Finanzkapital und seine Kriegsbrandstifter in Washington, London und Jerusalem“ auf.
September forderte Elsässer in seinem
Blog die Soldaten der Bundeswehr dazu
auf, die Stationen an der deutschen Grenze zu besetzen, um den Flüchtlingsstrom
zu stoppen. „Erfüllt Euren Schwur!“,
schrieb er. „Wartet nicht auf Befehle von
oben.“ Mit seinem Magazin „Compact“
zeigt Elsässer aktuell Angela Merkel auf
dem Titel, daneben die Zeile: „Die Königin der Schlepper“.
Elsässer ist einer, der die programmatische Ausrichtung von Pegida mit steuert.
An ihm kann man gut sehen, wie perfide
der Umgang der intellektuellen Rechten
mit der Gewalt oft ist.
Elsässer distanziert sich in seinem Blog
von dem Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin. Das Galgensymbol
lehnt er ab. „Leute, lasst diesen absolut
missverständlichen Unfug.“ Zugleich aber
präsentiert er auf dem magazineigenen
Videokanal CompactTV ein Interview mit
dem „Galgenmann“. Anonym darf er erzählen, dass er seinen selbstgebauten Galgen für Merkel und Gabriel als „Satire“
gedacht habe. Im Vorspann wird er als der
„mutige Mann“ vorgestellt, der nun seine
„Gänsehaut-Geschichte“ erzähle. Heroisierung mit formaler Distanzierung, auch
das gehört zur Genese der aktuellen Hasskultur.
Im November wird Elsässer wieder einen Vortrag halten, diesmal auf Einladung
des sogenannten Institutes für Staatspolitik, das auf einem Rittergut in Sachsen-Anhalt residiert. Mitgründer war Götz Kubitschek, ein ausgebildeter Lehrer, der 2001
als Oberleutnant der Reserve die Bundeswehr verlassen musste, da er sich an
„rechtsextremistischen Bestrebungen“ beteiligt habe.
Am 5. Oktober sprach Kubitschek zu
den Demonstranten auf dem Dresdner
Neumarkt, predigte zivilen Ungehorsam
und das angebliche Recht auf Widerstand.
„Es ist gut, dass es jetzt kracht!“, rief
Kubitschek. Und die Menge skandierte:
„Wi-der-stand“.
Kubitschek genießt solche Momente,
zeigen sie ihm doch, dass sich Theorie in
die Tat umsetzen lässt. Jahrelang hatte er
mit Gleichgesinnten in kleinen Salonzirkeln darüber sinniert, was die Rechte beim
Kampf um die Köpfe von der Linken lernen kann. Er lud in Foren im Internet dazu
ein, über originelle und provokante Aktionsformen nachzudenken. In einer „konservativ-subversiven Aktion“ stürmte er
mit anderen Aktivisten linke Veranstaltungen, 2008 etwa eine Lesung mit Günter
Grass.
Er diskutierte, welche Themen geeignet
seien, neofaschististische Ideen massentauglich zu machen. Und wie man Otto
Normalbürger dazu bekommt, dabei gegebenenfalls Rechtsbrüche oder zumindest
Ordnungswidrigkeiten in Kauf zu nehmen.
Wie könne die Rechte die „kulturelle Hegemonie“ erobern? Mit Pegida hat Kubitschek nun endlich eine Aktionsform gefunden, nach der er so lange suchte.
Experten wie der Politikwissenschaftler
Armin Pfahl-Traughber, Professor an der
Hochschule des Bundes, ordnen Kubitscheks Bewegung dem Rechtsextremismus zu. „Sie strebt in ihren Schriften eine
Neuauflage der Konservativen Revolution
der Weimarer Republik an, die sich klar
gegen den demokratischen Verfassungsstaat gewandt hat“ sagt Pfahl-Traughber.
Außerdem beobachtet er in den letzten
Wochen eine „zunehmend martialische
Sprache“ ihres Anführers und seiner Anhänger.
Ein Freund dieses rechtsextremen Revolutionärs saß am vergangenen Sonntag bei
„Günther Jauch“ und blieb vor allem in
Erinnerung, weil er zu Beginn ein Deutschlandfähnchen über die rechte Armlehne
hängte: Björn Höcke, ehemaliger Sportund Geschichtslehrer an hessischen Schulen, jetzt Landes- und Fraktionschef der
Thüringer AfD, seit vielen Jahren an der
Ideologie der Neuen Rechten interessiert.
Auch Höcke führt derzeit Protestzüge
gegen den „Flüchtlingsstrom“ an, wie jeDeutschland
nen am vergangenen Mittwoch in Erfurt.
Da stilisierte er sich zum Opfer der „Lü-
genpresse“, zum letzten Patrioten unter
ansonsten nur noch Verblendeten. Das
Fähnchen aus der Jauch-Sendung hatte er
nicht mitgebracht, weil man ihm gesagt
habe, die solle er gut aufheben. Sie werde
vielleicht mal in einem Geschichtsmuseum
ausgestellt. So was gefällt ihm: Im Größenwahn sieht er sich bereits als historischer
Führer einer neuen Bewegung. Das scheint
auch die Parteivorsitzende Frauke Petry
gemerkt zu haben, die einen Auftritt in
Erfurt absagte.
Der Umgang mit Höcke stellt die AfDSpitze vor eine neue Zerreißprobe. Während Parteivize Alexander Gauland ihn
als „legitime Stimme im Chor der AfD“
sieht, würde Petry den Rechtsausleger
gern kaltstellen. „Er spricht nicht für die
Bundespartei“, stellte sie in einem Mitgliederbrief klar, für den sie nun unter Druck
gerät. „Dieser Brief war mit dem Bundesvorstand nicht abgesprochen und wird von
mir auch nicht unterstützt“, sagt Gauland,
Höcke sei „wahrhaftig kein Nazi“.
Petrys Anliegen, die Partei unbedingt
aus der rechtsextremen Ecke herauszuhalten und stattdessen „breit“ in der Gesellschaft zu verankern, wird somit schwer zu
erfüllen sein – solange ihr derzeit bekanntester Vertreter weiter über die „1000-jährige Nation“ Deutschland schwadroniert.
Höcke bewegt sich auf dem Grenzstreifen
zum organisierten Rechtsextremismus der
Neonazis. Zum thüringischen NPD-Kader
Thorsten Heise habe er Kontakt, gibt er
zu. Höckes Freund Kubitschek wollte in
die AfD eintreten. Doch die Parteiführung
lehnte ab.
Davon unbeeindruckt festigt Höcke seinen Schulterschluss zur Pegida-Bewegung,
mit der er gern noch „viel enger“ kooperieren würde. Und auch zu den Intellektuellen der Neuen Rechten: Wie Elsässer
wird der AfD-Mann im November als Vortragender dabei sein, wenn Götz Kubitschek zum Seminar auf das Rittergut einlädt. Es wird ein Gipfeltreffen der rechten
Vordenker.
Während die organisierte Rechte den
Unmut vieler in der Flüchtlingskrise ausschlachtet und während die Frustrierten
ihre Wut in Hass-E-Mails ausspeien, bleiben die Behörden erstaunlich blass. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) attestierte den Anführern von Pediga zwar,
„harte Rechtsextremisten“ zu sein. Sein
Bundesamt für Verfassungsschutz aber gibt
bekannt, die Bewegung formal nicht zu
beobachten. Dazu reichten die Belege bislang nicht aus.
Gordian Meyer-Plath, der Präsident des
sächsischen Verfassungsschutzes, scheint
auch nicht gewillt, sich der zunehmend radikalisierten Pegida anzunehmen: „Wir beobachten Pegida nicht.“ Bislang überwö-
gen die Argumente, die Pegida entlasteten.
Die Organisatoren hätten sich zum Beispiel von Gewalt distanziert. „Auf der Demonstration wurde Angela Merkel in SAUniform gezeigt. Echte Neonazis würden
so etwas niemals tun“, sagt Meyer-Plath.
Pegida sei bislang eine „rechtspopulistische Empörungsbewegung“, aber keine
Gefahr für die freiheitlich-demokratische
Grundordnung. „Wir dürfen nicht jeden
asylkritischen Protest in die Ecke des
Rechtsextremismus rücken.“
Immerhin sehen das einige andere Landesämter anders: „Pegida NRW“ in Duisburg und „Dügida“ in Düsseldorf sowie
„Thügida“ in Thüringen werden offiziell
beobachtet. Organisatoren und Redner seien mehrheitlich der rechtsextremen Szene
zuzuordnen, heißt es aus den Behörden.
Schon bei den Islamhassern von Politically Incorrect taten sich die Behörden schwer. Das Blog verbreite zwar antimuslimische und teils rassistische Propaganda, bediene sich jedoch „keines klassischen rechtsextremistischen Argumentationsmusters“, hieß es als Antwort auf
eine Kleine Anfrage der Linken. Bis heute gelingt es den PI-Machern, mit zwei
simplen Tricks die Behörden auszumanö-
vrieren: Zum einen gibt sich PI explizit
proamerikanisch und proisraelisch – offenbar verwirrend für die deutsche Bürokratie, für die zu waschechtem Neonazismus
zwingend der Judenhass zählt. Zum anderen finden sich die krassesten menschenverachtenden und volksverhetzenden Beiträge auf PI in dessen Kommentarspalten –
und sind damit angeblich nicht eindeutig
den Blogbetreibern zuzuordnen