In wenigen Minuten beginnt im Polizeipräsidium Düsseldorf die Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft und Polizei zum Fahndungserfolg im Fall des Wehrhahn-Attentats aus dem Jahr 2000.Wie die Polizei heute vormittag mitgeteilt hat, ist ein 50-jähriger Mann aus Ratingen in Haft, der das Attentat im Juli 2000 begangen haben soll.
Bei der Pressekonferenz wollen die Behörden Details zu den Ermittlungen bekannt geben.
Bei dem Anschlag war eine Rohrbombe explodiert. Die Explosion verletzte zehn Menschen teils schwer. Eine Frau verlor durch Metallsplitter ihr ungeborenes Kind.
Bei dem Mann, der jetzt in Haft ist, handelt es sich nach Informationen unserer Redaktion um Ralf S., der zur Zeit des Anschlags einen Militaria-Handel nahe des Wehrhahns betrieb.
S. soll damals Kontakte in die rechtsradikale Szene gehabt haben. Nach dem Anschlag war er bereits einmal kurz festgenommen, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Wie kamen die Ermittler nun doch auf seine Spur? Wie stichhaltig sind die Beweise? Und wie tief reichen S.' Verstrickungen ins rechte Milieu? Antworten auf diese Fragen erhoffen sich die Medienvertreter.
Die Pressekonferenz hat begonnen. Polizeipräsident Norbert Wessler hat als erster das Wort.
Er beginnt mit einer Rückblende: 1500 Hinweisen sei die Polizei nachgegangen, habe die Akte aber nicht schließen können. Nun sei ein Haftbefehl ergangen.
Er entschuldige sich bei den Opfern, dass das erst jetzt geschehen sei. Die Polizei habe ihr Möglichstes getan und habe sich dabei auf Indizien verlassen müssen.
Staatsanwalt Ralf Herrenbrück: Dem 50-jährigen Verhafteten wird vorgeworfen, einen selbstgebauten TNT-Sprengsatz per Fernzünder ausgelöst zu haben. Das sieht die Staatsanwaltschaft als Körperverletzungs- und Tötungsdelikt.
Die Sprengwirkung sei geringer gewesen als vom Tatverdächtigen angenommen. Es handele sich um versuchten Mord.
Der Mann habe aus niedrigen Beweggründen, nämlich mindestens Fremdenfeindlichkeit, gehandelt.
Es sei unklar, ob spezifisch Antisemitismus das Motiv gewesen sei.
Es sei nicht nachweisbar, ob er wusste, dass die meisten der Opfer Juden sind.
Der Tatverdächtige habe sich widerstandslos festnehmen lassen und schweige zur Sache. Die Ermittlungen dauerten an.
Kripo-Chef Markus Röhl (Mitte) sagt, nach neuen Zeugenaussage habe sich die Polizei entschieden, die Ermittlungen wieder aufzunehmen und sämtliche Akten noch einmal akribisch zu durchleuchten.
Alle verfügbaren Zeugen seien erneut befragt worden.
Mithilfe eines Profilerteams habe die Polizei eine genaue Analyse des Täters erstellt. Diese Analyse führte am Ende zur Schlussfolgerung, den Mann zu verhaften, der nun im Gefängnis sitzt.
Udo Moll ist Experte für Rechtsextremismus bei der Düsseldorfer Polizei.
Ein Hinweis eines Insassen der JVA Castrop-Rauxel habe der Polizei geholfen. Ihm gegenüber hatte der Verhaftete mit dem Anschlag geprahlt.
Zwei Zeugen hätten dann glaubwürdig ausgesagt, der Beschuldigte habe vorab mit einer solchen Tat geprahlt.
Zum ersten Mal ist gerade der Name Ralf S. gefallen. Damit ist auch hier offiziell bestätigt, wer konkret wegen des Attentats in Haft ist.
Ralf S. habe hohes waffentechnisches Wissen durch seine Zeit bei der Bundeswehr, so Moll.
Auch notwendige handwerkliche Fähigkeiten und ein Schweißgerät habe er besessen.
Ralf S. soll extra eine Wohnung für den Bombenbau angemietet haben, die er einen Tag nach dem Anschlag kündigte.
Durch seine "Streifengänge" mit Hund im Viertel habe er die Abläufe genau gekannt.
Und durch seinen Militaria-Laden habe er die Kontakte gehabt, um den Sprengstoff zu beschaffen.
Moll beschreibt die mögliche Motivation von Ralf S.: Im Herbst 1999 hätten zwei Neonazis Schüler einer Sprachschule für Osteuropäer und jüdische Aussiedler massiv bedroht.
Die Sprachschule lag schräg gegenüber des Ladens von Ralf S. und die Neonazis standen oft vor diesem Laden.
Die Schülergruppe habe als Gegenaktion mit 20 Personen am Fenster den Neonazis mit verschränkten Armen gedroht. Das habe die Neonazis in die Flucht geschlagen. Sie verschwanden im Laden.
Die Polizei glaubt, dass Ralf S. sich dafür rächen wollte.
Ralf S. sei fremdenfeindlich gewesen und habe Aussiedler und Ausländer für seine finanziell desolate Lage verantwortlich gemacht.
Sein Alibi habe die Polizei mithilfe von Telekommunikationsdaten widerlegen können. Eine entlastende Zeugenaussage habe sich nun als unrichtig herausgestellt.
Weiteres Indiz: In der Plastiktüte mit der Bombe war eine Zeitung aus Köln, die in Düsseldorf wenig verkauft wird. Ralf S. bezog sie regelmäßig.
Soweit die Statements der Ermittler. Nun dürfen die Medienvertreter nachfragen.
Hätte man die Tat damals schon klären können, fragt ein Journalist. Details zu den neuen Zeugenaussagen könne er nicht geben, so Staatsanwalt Herrenbrück. Eine der Zeugen habe auf Druck des Verdächtigen damals vermutlich gelogen, jetzt aber die Wahrheit gesagt.
Insofern glaube er nicht, dass man damals anders hätte ermitteln können.
DNA-Untersuchungen am Geländer vor wenigen Jahren hätten keine neuen Erkenntnisse gebracht. Man untersuche aber gerade eine neue DNA-Probe des Tatverdächtigen, so Ermittler Udo Moll.
Die Polizei gehe von einem Einzeltäter aus, so Moll weiter.
Warum kam es erst jetzt zur Festnahme? Ralf Herrenbrück: Bei Indizien komme es nicht auf die Menge an, sondern auf eine undurchdringliche Kette. Den Ausschlag habe für ihn gegeben, dass Ralf S. vorher und hinterher mit der Tat geprahlt habe. Gerade die Ankündigung sei ein wichtiger Faktor, denn S. habe die Tat in ihren wesentlichen Zügen beschrieben.
Vor dem Haftrichter habe der Tatverdächtige die Tat bestritten. Sein Verteidiger habe ihm dann geraten, zunächst zu schweigen.
Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass S. in rechtsradikalen Organisationen aktiv gewesen sei. Auch nachrichtendienstlich sei er nicht in Erscheinung getreten, so Staatsanwalt Ralf Herrenbrück.
Ralf S. sei im kleinkriminellen Bereich vorbestraft. Er sei arbeitslos, so Ermittler Udo Moll.
Den Vorfall mit den Neonazis an der Sprachschule habe man damals nicht mit dem Anschlag in Verbindung gebracht, weil dazwischen acht Monate lagen, sagt Staatsanwalt Herrenbrück.
Der Tatverdächtige sei aus der Bundeswehr als Zeitsoldat ausgeschieden, weil sein Vertrag nicht verlängert wurde. Daran sei nichts ungewöhnliches gewesen.
Die Wohnung, in der Ralf S. die Bombe gebaut haben soll, habe er für ein halbes Jahr angemietet. Dort seien schon damals Hinweise auf die Tat gefunden worden, aber keine zwingenden Hinweise auf seine Täterschaft. "Herr S. war Militariahändler", so Ermittler Udo Moll als Erklärung.
www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/wehrhahn-anschlag-in-duesseldorf-2000-live-blog-zur-pressekonferenz-aid-1.6575781