Feyder löst den Mord an Yozgat. Schon 2002 war klar, wer die Möder sein werden.
Ein Text von Spitzel "Schmierfink"?
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www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.mord-an-walter-luebcke-infos-vom-spitzel-gemuese.08069e87-d545-4592-9fd9-300d9354bcf5.htmlMord an Walter Lübcke
Infos vom Spitzel „Gemüse“2002 berichtete ein Spitzel, dass sich vier Rechtsextreme unweit des Tatortes des 2006 ermordeten Halit Yozgat aufhielten – unter ihnen auch Stephan Ernst, der mutmaßliche Lübcke-Mörder. Opferanwälte der Familie Yozgat glauben an Kasseler Unterstützer der NSU-Terrorgruppe.
Stuttgart - Donnerstag, der 28. November 2002, ist ein ungemütlicher Tag im hessischen Hofgeismar. Wolkenverhangener Himmel. Nieselregen. Acht Grad. Schmuddelwetter. Irgendwann an diesem Tag trifft irgendwo in dem 15 000-Seelen-Nest ein Agentenführer des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) seinen Spitzel. Es ist ihr siebtes Treffen. An diesem Tag sind die Informationen des Mannes dem Inlandsgeheimdienst 150 Euro wert.
Zwischen dem 11. und 17. November, so wusste der Informant zu berichten, hätte ein rechtsextremes Quartett „in Kassel, Holländische Straße / Ecke Henkelstraße“, ein „Zeckenwohnheim“ überfallen – eine Wohnung, in der Antifaschisten leben. Zu den vier Neonazis habe außer „Maik Sawallich“ auch „Stefan“ gehört. Aus heutiger Sicht liefert der Spitzel mit den Decknamen „Gemüse“ und „GP 389“ eine äußerst interessante Information.
Bei Stefan handelt es sich um den mutmaßlichen Lübcke-Mörder Stephan Ernst
Bei „Stefan“ handelt es sich nach Recherchen unserer Zeitung um Stephan Ernst, den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Der Überfall auf das „Zeckenwohnheim“ liegt 60 Meter entfernt von der Holländischen Straße 82 – jenem Haus, in dem die Rechtsterrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) am 6. April 2006 Halit Yozgat ermordet hatte. Eine Bluttat, die trotz des Urteils gegen das überlebende NSU-Mitglied Beate Zschäpe vor einem Jahr nach wie vor viele Fragen aufwirft.
Zur Tatzeit befand sich am Tatort ein Agentenführer des hessischen LfV: Andreas Temme. Genau der übernahm wenige Wochen nach dem Hofgeismarer Treffen die Führung des Spitzels „Gemüse“, gab ihm die Aufträge, welche Informationen dieser zu beschaffen hatte. Erstaunlich: Nicht nach jedem Treffen Temmes mit „Gemüse“ erstellt der Geheime auch Berichte, wie Kriminale herausfanden. Temme gelte ihnen unverändert – so ein hessischer Ermittler im Münchener NSU-Verfahren – als Tatverdächtiger im Mordfall Yozgat.
Opfer-Anwälte als Verschwörungstheoretiker dargestellt
Die Anwälte der Familie Yozgat, Doris Dierbach, Thomas Bliwier und Alexander Kienzle, betonen immer wieder während des Mammutprozesses vor dem Münchener Oberlandesgericht: Sollten Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe wirklich die Mörder Halit Yozgats sein, dann hätten sie unmöglich ohne fremde Hilfe zur Tat schreiten können. Das Internetcafé Yozgats, so die Juristen, hätte ausgespäht, Fluchtwege erkundet und der Tatort möglicherweise abgesichert werden müssen.
Eine Sichtweise, die auch heute noch gilt: „Wir waren immer davon überzeugt, dass das sogenannte Trio auf ein Kasseler Netzwerk zurückgreifen konnte und zurückgegriffen hat“, sagt Juristin Dierbach. Nicht wenige Berichterstatter haben die Anwälte deshalb für Verschwörungstheoretiker gehalten. „Tatsächlich ist es nach wie vor noch nicht einmal zweifelsfrei erwiesen, dass tatsächlich Mundlos und Böhnhardt Halit Yozgat erschossen haben.“
Arm ihn Arm mit dem mutmaßlichen Mörder
Die von „Gemüse“ beschriebene Viererbande offenbart eine illustre Gruppe, bei der vor allem Mike Sawallich ins Auge sticht: Bei vielen der Rechtsextremen in Kassel und Umgebung zwischen 2000 und 2006 zugeschriebenen Straftaten tritt er in Erscheinung. Nach der Festnahme Stephan Ernsts im vergangenen Juni postet Sawallich auf seiner Facebook-Seite ein Foto, auf dem er Arm in Arm mit Ernst zu sehen ist: „Ich stehe in Guten wie in Schlechten Zeiten zum Kamerad E. !!! Und in meinen Augen ist er der beste Kamerad gewesen. Zuverlässig, pünktlich und ein kluger Kopf . . .“
„Gemüse“, den das LfV immer als „glaubwürdig“ einstufte, berichtete, Sawallich gehöre der rechtsradikalen Gruppe Sturm 18 an. Ihr werfen Sicherheitsbehörden 300 Straftaten vor. Im Namen steht die Zahl 18 für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets, für die Initialen Adolf Hitlers. In der Verbotsverfügung des hessischen Innenministeriums heißt es, der Begriff „Sturm“ stelle über die NSDAP und ihre Sturmabteilung die Nähe zum Nationalsozialismus her.
Der 38 Jahre alte Sawallich traf sich auffallend häufig mit Thorsten Heise, dem heutigen Bundesvize der NPD. Das geht aus Berichten deutscher Sicherheitsbehörden vor. Nach denen pflegte Heise sehr enge Kontakte zur militanten, international agierenden Gruppe Combat 18, die als bewaffneter Arm des Neonazinetzwerkes Blood & Honour gilt. „Blut und Ehre“ war der Leitspruch der Hitlerjugend. Der Slogan war in deren Koppelschloss und die Klinge ihrer Fahrtenmesser graviert. Die Ermittlungsunterlagen zeigen auch, dass Sawallich – wie Ernst – Kontakte zu Stanley Röske pflegten. Er soll die deutsche Sektion von Combat 18 anführen. Ihm wirft die Polizei zahlreiche Straftaten vor: Diebstahl über Nötigung bis hin zur Körperverletzung.
Der Waffenvermittler kannte das NSU-Mordopfer Halit Yozgat
Es verwundert nicht, dass Sawallich und Ernst zu einer Gruppe von 400 Neonazis gehörten, die sich am 1. Mai 2009 – generalstabsmäßig geplant – in Dortmund versammelte. Die Polizei wirft der Meute vor, „Polizeibeamte mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen“, „eine Kundgebung des DGB“ attackiert und anschließend wieder „Polizeibeamte beworfen, Streifenwagen teilweise entglast“ zu haben. Schließlich wurde die randalierende Gruppe eingeschlossen. Wegen Landfriedensbruch sei ein Strafverfahren gegen „405 Personen der rechten Szene eingeleitet worden“.
Unter diesen war auch Markus H.. Der Generalbundesanwalt wirft dem 43-Jährigen heute zudem vor, Ernst jene Pistole vermittelt zu haben, mit der dieser Walter Lübcke erschossen haben soll. Deswegen wurde H. Ende Juni festgenommen. Auch im Mordfall Halit Yozgat wird Markus H. vernommen. Er räumt ein, dem Ermordeten persönlich an der Imbissbude seines türkischstämmigen Vermieters begegnet zu sein. Mit dessen Sohn war Yozgat befreundet. H. sagt zudem aus, sich mehrfach auf einer speziellen Internetseite informiert zu haben, die über die dem NSU angelasteten zehn Morde berichtete: „Letztlich war es so, dass ich in der Vergangenheit immer mal wieder die entsprechende Seite anklickte, um mich nach den neuesten Entwicklungen in dieser Mordsache zu informieren, letztmalig gestern“, berichtet er einem Kriminaloberkommissar am 12. Juni 2006.
Pikant an dem Dortmunder Neonazi-Aufmarsch: Sorgfältig gingen die dortigen Polizisten offenbar nicht vor, als sie die Identität der 398 festgenommenen Neonazis feststellten: Fast ein Fünftel von diesen gaben den Ermittlern Adressen an, die nicht existieren. Konsequenzen hatte das offenbar keine. Aus Baden-Württemberg waren drei Neonazis nach Dortmund gereist. Unter ihnen Sascha Deuerling, der zeitweise bei der Rechtsrockgruppe „Noie Werte“ die Trommel rührte. In einer Version des NSU-Bekennervideos wurde ein Titel der Band um den Reutlinger Rechtsanwalt Steffen Hammer verwendet.