Post by Admin on May 3, 2015 11:58:47 GMT 1
Regine Igel schreibt zum "Modrow-Brief":
Ein im Jahr 2010 deklassifiziertes Geheimdokument
Auf Antrag der Autorin wurde im April 2010 von der Stasi-Unterlagen-Behörde ein Dokument deklassifiziert, das bis dahin als geheim
unter Verschluss gehalten worden war.8 Datiert vom 26. März 1990
und verfasst von aufgebrachten HVA-Mitarbeitern, sollte es in den
entscheidenden Wochen der Absprachen zwischen Ost und West
einer Regelung dienen, wie konkret mit dem sich in Auflösung
befindlichen Ostberliner Geheimdienstbestand und seinen Mitarbeitern zu verfahren sei. In diesem dreiseitigen Dokument mit dem Titel
Erkenntnisse und Probleme im Zusammenhang mit Aktivitäten der
Geheimdienste wird der Unmut darüber zum Ausdruck gebracht,
dass USA- und BRD-Geheimdienste dabei seien, Mitarbeiter des
alten MfS abzuwerben. Es wird angedeutet, dass man konkrete
Kenntnisse zu institutionellen und personellen Bereichen des BND
habe, aber auch zu dessen »vollständige(r) Struktur mit detailliertem
Aufgabenbereich« und gibt zu bedenken:
»Im ehemaligen Amt für Nationale Sicherheit der DDR (das war
kurzfristig der Name für das MfS - R.I.) liegen alle Erkenntnisse zu
den Geheimdiensten der BRD aufbereitet vor. Auch in den Köpfen
von Spezialisten der Aufklärung und Abwehr sind diese Erkenntnisse gespeichert.
Bei Offenlegung des Wissens über die Geheimdienste der BRD
kann mit einer Destabilisierung der Lage auch in der BRD sowie
mit einer beträchtlichen Störung des gesamteuropäischen Einigungsprozesses gerechnet werden.«9
12 Die Ost-Kommission droht im März 1990 damit, dass bei Offenlegung
ihres Wissens die BRD destabilisiert werden könne (Auszug aus dreiseitigem
Dokument)
Das ist eine Drohung. Sollten HVA-Mitarbeiter ihr Wissen über
Geheimdienste der BRD bekanntgeben, könne mit einer Destabilisierung in der BRD und sogar Europas gerechnet werden. Dazu kommentiert der wissenschaftliche Mitarbeiter der BStU
»Was die Drohung genau bezweckte, blieb undeutlich. Mehrere
Möglichkeiten sind denkbar:
300
keine Öffnung der MfS-Archive
künftige Übernahme von HVA-Mitarbeitern in Bundesdienste
- Straffreiheit für MfS-Mitarbeiter
Fortsetzung der HVA-Tätigkeit oder gar die Verhinderung der
deutschen Einheit.«10
Der Vorsitzende des Ministerrats der DDR Hans Modrow überbrachte dieses Papier dem von 1989 bis 1990 amtierenden letzten Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR, Franz Bertele. Was es konkret bewirkt hat, ist nicht bekannt
Tatsache ist, dass die Vertreter der Geheimdienste Ost offensichtlich
über ein derart gravierendes Wissen, auch über den BND, verfügten,
dass sie dies als Pfand für eigene Forderungen einsetzen konnten.
301
»Die Regierung verhandelte mit der Stasi-Generalität, um die Veröffentlichung abgehörter Telefonate zu verhindern. Als Gegenleistung
waren eine Amnestie und die Sperrung der Akten vereinbart.«11
Der gut informierte Jurist und Historiker Klaus Bästlein spricht
20 Jahre später Klartext und benennt die »Angst der Bundesregierung vor den Akten«: »Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) wird
nach 20 Jahren als großer Erfolg gefeiert. In Wahrheit ist es ein fauler
Kompromiss zwischen Aktenöffnung und Staatsräson. Denn die
Regierung Kohl hatte seinerzeit viel zu verbergen.«
Ein im Jahr 2010 deklassifiziertes Geheimdokument
Auf Antrag der Autorin wurde im April 2010 von der Stasi-Unterlagen-Behörde ein Dokument deklassifiziert, das bis dahin als geheim
unter Verschluss gehalten worden war.8 Datiert vom 26. März 1990
und verfasst von aufgebrachten HVA-Mitarbeitern, sollte es in den
entscheidenden Wochen der Absprachen zwischen Ost und West
einer Regelung dienen, wie konkret mit dem sich in Auflösung
befindlichen Ostberliner Geheimdienstbestand und seinen Mitarbeitern zu verfahren sei. In diesem dreiseitigen Dokument mit dem Titel
Erkenntnisse und Probleme im Zusammenhang mit Aktivitäten der
Geheimdienste wird der Unmut darüber zum Ausdruck gebracht,
dass USA- und BRD-Geheimdienste dabei seien, Mitarbeiter des
alten MfS abzuwerben. Es wird angedeutet, dass man konkrete
Kenntnisse zu institutionellen und personellen Bereichen des BND
habe, aber auch zu dessen »vollständige(r) Struktur mit detailliertem
Aufgabenbereich« und gibt zu bedenken:
»Im ehemaligen Amt für Nationale Sicherheit der DDR (das war
kurzfristig der Name für das MfS - R.I.) liegen alle Erkenntnisse zu
den Geheimdiensten der BRD aufbereitet vor. Auch in den Köpfen
von Spezialisten der Aufklärung und Abwehr sind diese Erkenntnisse gespeichert.
Bei Offenlegung des Wissens über die Geheimdienste der BRD
kann mit einer Destabilisierung der Lage auch in der BRD sowie
mit einer beträchtlichen Störung des gesamteuropäischen Einigungsprozesses gerechnet werden.«9
12 Die Ost-Kommission droht im März 1990 damit, dass bei Offenlegung
ihres Wissens die BRD destabilisiert werden könne (Auszug aus dreiseitigem
Dokument)
Das ist eine Drohung. Sollten HVA-Mitarbeiter ihr Wissen über
Geheimdienste der BRD bekanntgeben, könne mit einer Destabilisierung in der BRD und sogar Europas gerechnet werden. Dazu kommentiert der wissenschaftliche Mitarbeiter der BStU
»Was die Drohung genau bezweckte, blieb undeutlich. Mehrere
Möglichkeiten sind denkbar:
300
keine Öffnung der MfS-Archive
künftige Übernahme von HVA-Mitarbeitern in Bundesdienste
- Straffreiheit für MfS-Mitarbeiter
Fortsetzung der HVA-Tätigkeit oder gar die Verhinderung der
deutschen Einheit.«10
Der Vorsitzende des Ministerrats der DDR Hans Modrow überbrachte dieses Papier dem von 1989 bis 1990 amtierenden letzten Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR, Franz Bertele. Was es konkret bewirkt hat, ist nicht bekannt
Tatsache ist, dass die Vertreter der Geheimdienste Ost offensichtlich
über ein derart gravierendes Wissen, auch über den BND, verfügten,
dass sie dies als Pfand für eigene Forderungen einsetzen konnten.
301
»Die Regierung verhandelte mit der Stasi-Generalität, um die Veröffentlichung abgehörter Telefonate zu verhindern. Als Gegenleistung
waren eine Amnestie und die Sperrung der Akten vereinbart.«11
Der gut informierte Jurist und Historiker Klaus Bästlein spricht
20 Jahre später Klartext und benennt die »Angst der Bundesregierung vor den Akten«: »Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) wird
nach 20 Jahren als großer Erfolg gefeiert. In Wahrheit ist es ein fauler
Kompromiss zwischen Aktenöffnung und Staatsräson. Denn die
Regierung Kohl hatte seinerzeit viel zu verbergen.«