Post by vonstein on Jun 20, 2018 11:07:25 GMT 1
Guido Herz: „Wir wollen die Wahrheit über Afrika nicht sehen
Ist Afrika noch zu retten? Der ehemalige deutsche Botschafter in Tansania, Guido Herz, warnt Europa davor, daran zu glauben
Herr Dr. Herz, kann der „Marshallplan für Afrika“ den Kontinent retten?
Herr Dr. Herz, kann der „Marshallplan für Afrika“ den Kontinent retten?
Guido Herz: Ich glaube nicht. Das ist nur der vergebliche Versuch, mit noch mehr Geld und Mitteln zu erreichen, was man schon seit über fünfzig Jahren mit viel Geld und Mitteln nicht erreicht hat, nämlich Afrika zu entwickeln.
Deutschland hat er doch auch geholfen.
Herz: Deutschland war ein entwickeltes Land, das man 1945 „nur“ wiederaufbauen mußte. In Afrika dagegen fehlen alle strukturellen Voraussetzungen.
Wieso kommt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller dann auf diese Lösung?
Herz: Ich halte das für Aktionismus – im Grunde ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Es soll kaschiert werden, daß man eigentlich keine Lösung für das Problem hat. Zudem müssen Politiker sich profilieren, sie müssen irgendwas vorweisen. Allerdings sieht ja sogar die Kanzlerin seinen Marshallplan skeptisch.
„Entwicklungshilfe schadet Afrika“
„Wenn wir die Probleme Afrikas dort nicht lösen, kommen sie zu uns“, warnt Müller.
Herz: Damit hat er recht! Derzeit reden wir hierzulande ja vor allem über Einwanderer aus dem arabischen Raum. Die eigentliche Gefahr droht in Zukunft aber aus Afrika. Selbst nach der mittleren Schätzung der Uno werden im Jahr 2100 elf Milliarden Menschen die Welt bevölkern. Tatsächlich aber halte ich die maximale Schätzung der Uno für weit realistischer, wonach es 16 Milliarden sein werden. Allein sechs Milliarden davon entfallen dann auf Afrika. Zum Vergleich: Heute hat der Kontinent gerade mal gut eine Milliarde Einwohner. Tansania etwa, mit heute fünfzig Millionen Bürgern, wird dann 400 Millionen Menschen haben! Und die Infrastruktur dort reicht heute schon nicht mal für die Hälfte der jetzigen Einwohnerzahl.
Wächst die Infrastruktur nicht mit?
Herz: Nach meiner Erfahrung wird sie eher noch schrumpfen. Früher etwa hatte Tansania zwei leistungsfähige Bahnlinien: Eine bekam es in den Siebzigern von China geschenkt, die andere stammt aus deutscher Kolonialzeit und wurde später von Bonn saniert. Heute sind beide Strecken ineffektiv, marode und teilweise außer Betrieb.
Das zeigt aber doch, wie wichtig es ist, in die Entwicklungshilfe zu intensivieren.
Herz: Nein, es zeigt das Gegenteil, nämlich daß Entwicklungshilfe, zwar einzelnen hilft, aber, ihr eigentliches Ziel, die Länder zu entwickeln, verfehlt.
Warum?
Herz: Der zentrale Punkt ist, daß Afrika keine leistungsfähigen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen hat.
„Verstärkt deutsche Interesse berücksichtigen“
Warum ist das entscheidend?
Herz: Man unterscheidet zwischen inklusiv oder extraktiv wirkenden Strukturen: Inklusiv bedeutet, der Wohlstand kommt allen zugute. Extraktiv hingegen, daß nur eine „Elite“ profitiert. Leistungsfähige Staaten haben inklusive Strukturen. In Afrika dagegen sind die Strukturen eigentlich überall extraktiv. So kann Entwicklungshilfe oder ein „Marshallplan“ nicht wirken, es fehlt dafür der „Resonanzboden“. Sogar das Gegenteil ist der Fall: Angesichts extraktiver Strukturen schadet Entwicklungshilfe.
Wieso das?
Herz: Weil sie extraktive Strukturen stabilisiert. So wird zum Beispiel eine Regierung mit schlechten Leistungen normalerweise abgewählt. Dank Entwicklungshilfe kann sie ihr Versagen aber kaschieren. In meiner Zeit als Botschafter in Tansania kamen allein vierzig Prozent des Budgets aus der Entwicklungshilfe! Wird eine schlechte Regierung aber nicht abgewählt, stagniert die Entwicklung – ja, sie ist sogar rückläufig.
Deutschland hat er doch auch geholfen.
Herz: Deutschland war ein entwickeltes Land, das man 1945 „nur“ wiederaufbauen mußte. In Afrika dagegen fehlen alle strukturellen Voraussetzungen.
Wieso kommt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller dann auf diese Lösung?
Herz: Ich halte das für Aktionismus – im Grunde ein Ausdruck der Hilflosigkeit. Es soll kaschiert werden, daß man eigentlich keine Lösung für das Problem hat. Zudem müssen Politiker sich profilieren, sie müssen irgendwas vorweisen. Allerdings sieht ja sogar die Kanzlerin seinen Marshallplan skeptisch.
„Entwicklungshilfe schadet Afrika“
„Wenn wir die Probleme Afrikas dort nicht lösen, kommen sie zu uns“, warnt Müller.
Herz: Damit hat er recht! Derzeit reden wir hierzulande ja vor allem über Einwanderer aus dem arabischen Raum. Die eigentliche Gefahr droht in Zukunft aber aus Afrika. Selbst nach der mittleren Schätzung der Uno werden im Jahr 2100 elf Milliarden Menschen die Welt bevölkern. Tatsächlich aber halte ich die maximale Schätzung der Uno für weit realistischer, wonach es 16 Milliarden sein werden. Allein sechs Milliarden davon entfallen dann auf Afrika. Zum Vergleich: Heute hat der Kontinent gerade mal gut eine Milliarde Einwohner. Tansania etwa, mit heute fünfzig Millionen Bürgern, wird dann 400 Millionen Menschen haben! Und die Infrastruktur dort reicht heute schon nicht mal für die Hälfte der jetzigen Einwohnerzahl.
Wächst die Infrastruktur nicht mit?
Herz: Nach meiner Erfahrung wird sie eher noch schrumpfen. Früher etwa hatte Tansania zwei leistungsfähige Bahnlinien: Eine bekam es in den Siebzigern von China geschenkt, die andere stammt aus deutscher Kolonialzeit und wurde später von Bonn saniert. Heute sind beide Strecken ineffektiv, marode und teilweise außer Betrieb.
Das zeigt aber doch, wie wichtig es ist, in die Entwicklungshilfe zu intensivieren.
Herz: Nein, es zeigt das Gegenteil, nämlich daß Entwicklungshilfe, zwar einzelnen hilft, aber, ihr eigentliches Ziel, die Länder zu entwickeln, verfehlt.
Warum?
Herz: Der zentrale Punkt ist, daß Afrika keine leistungsfähigen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen hat.
„Verstärkt deutsche Interesse berücksichtigen“
Warum ist das entscheidend?
Herz: Man unterscheidet zwischen inklusiv oder extraktiv wirkenden Strukturen: Inklusiv bedeutet, der Wohlstand kommt allen zugute. Extraktiv hingegen, daß nur eine „Elite“ profitiert. Leistungsfähige Staaten haben inklusive Strukturen. In Afrika dagegen sind die Strukturen eigentlich überall extraktiv. So kann Entwicklungshilfe oder ein „Marshallplan“ nicht wirken, es fehlt dafür der „Resonanzboden“. Sogar das Gegenteil ist der Fall: Angesichts extraktiver Strukturen schadet Entwicklungshilfe.
Wieso das?
Herz: Weil sie extraktive Strukturen stabilisiert. So wird zum Beispiel eine Regierung mit schlechten Leistungen normalerweise abgewählt. Dank Entwicklungshilfe kann sie ihr Versagen aber kaschieren. In meiner Zeit als Botschafter in Tansania kamen allein vierzig Prozent des Budgets aus der Entwicklungshilfe! Wird eine schlechte Regierung aber nicht abgewählt, stagniert die Entwicklung – ja, sie ist sogar rückläufig.
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