bw.nsu-watch.info/?p=123Bericht von der 31. Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am 26. Oktober 2015
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By admin on 1. November 2015 · Dokumentation
Zuallererst wurde das NSU-Bekennervideo („Paulchen Panther“) in Augenschein genommen.
Danach spricht als erster Zeuge der Kriminalhauptkommissar Harald Dern (54) vom BKA. Der Zeuge hält am Anfang ein zehnminütiges Statement. Er ist vom kriminalistischen Institut und hat das Video untersucht. Er und sein Team haben das Video und seine Teile einer „Plausibilitätsprüfung“ unterzogen. In der Frühlingsstraße sei eine externe Festplatte mit 360 Clips gefunden wurden. Dadurch sei die Herstellung des Bekennervideos gut nachzuvollziehen sein. Bereits Anfang 2001 gab es nach dem ersten Mord ein Fotoschau. Im Oktober 2001 gab es dann ein fünfminütiges Video, was aber noch sehr „dumpf“ und „radikal“ gewesen sei.
Ab dem 28. Mai 2006, einen Monat nach der Beendigung der Ceska-Mordserie, wurde mit der Arbeit zu dem Paulchen-Panther-Bekennervideo begonnen. Dann gab es eine längere Pause. Im März 2007 war das Video fast ganz fertig, es fehlte nur eine Eingangsszene und der Bezug auf den Mord in Heilbronn. Es gab im Februar, März 2007 mehrere Änderungen, dabei wurden, die als Abmilderungen zu verstehen seien. Unter anderem wurden die Botschaften „Mitarbeiter gesucht, gegen die Kanackenflut“ und „Der Ali muss weg“, sowie ein Runen-Symbol herausgenommen.
Auch die Verwendung von Paulchen Panther als Avatar sollte nach seiner Einschätzung möglicherweise die kaltblütigen Taten ‚abmildern‘.
Letzte Nachbearbeitungen fanden im November 2007 statt, u.a. wurde ein RAF-Symbol eingefügt auf dem Bauch der Figur des „Eckensteher Knoll“. Später erklärt der Zeuge, dass früher RAF-SympathisantInnen als „Eckensteher“ bezeichnet wurden.
Die Erstellung der Bildsequenzen ist nachvollziehbar, die Vertonung aber nicht, sie müsse auf einem anderen Rechner geschehen sein. Bei dem Paulchen-Panther-Bekennervideo wurden auch Ton-Dateien aus dem Zeichentrickfilm verwendet.
Es wird vermutet das auf einem anderen Rechner geschnitten wurde und nur auf der externen Festplatte mit der Speicherkraft 320 Gigabyte abgespeichert wurde.
Es stellt sich die Frage, ob die Zeitstempel manipuliert worden sein könnten. Das sei möglich, aber es gäbe keine Hinweise darauf, es wären keine logischen Fehler zu erkennen gewesen.
Drexler fragt, warum das Video, wenn es denn so früh fertig gewesen wäre, nicht früher veröffentlicht worden wäre.
Die Umschläge mit den verschickten DVDs hatten eine Briefmarke von Anfang 2010, zu dieser Zeit sei auch der Film noch einmal ausgedruckt worden.
Seines Wissens wurden die DVDs nicht vor dem November 2011 verteilt.
Der Zeuge meint das eine Veröffentlichung den Ermittlungsdruck enorm verstärkt hätte.
Es sei auch unter Ermittlern diskutiert worden, ob die DVD nicht einen „post-mortem-Charakter“ gehabt hätte.
Es wurden auf dem PC noch Video-Dateien von Aufmärschen in Skandinavien aus dem Jahr 2005 gefunden, die aber für das Video nicht verwendet wurden.
Die Einfügung einer Sequenz in der Paulchen Panther auf einen Polizist schießt geschah am 7. Juni 2006, knapp elf Monate vor dem Mord an Kiesewetter.
Drexler fragt, warum es in einer Sequenz hieß „9. Türke erschossen“.
Der Zeuge vermutet, dass das Opfer Boulgarides evtl. als Türke erschossen worden sei bzw. die Aufzählung acht Türken und ein Grieche nicht stimmig gewesen sei.
In der Schlusssequenz ist eine Dienstwaffe zu sehen, es ist aber unklar ob es eine der in Heilbronn erbeuteten Polizei-Waffen war. Neben den präsentierten Polizei-Waffen sei auf dem Video ein Tatort-Bild (Luftaufnahme) und der Trauerzug bei der Beerdigung Kieswetters.
Der Zeuge meint aus dem Video herauslesen zu können, dass es Diskussionen über die weiteren Aktivitäten gegeben hätten. Er interpretiert das eine Person weitermachen wollte und eine andere unsicher gewesen sei.
Der Zeuge erinnert an das Jahr 2007: Ende 2006 gab es wohl Geldprobleme, darauf folgten aber Ende 2006 und Anfang 2007 sehr ertragreiche Banküberfälle. Dann gab es im April 2007 den Mord , im Mai folgte eine längerer Urlaub auf Fehmarn und dann sei der Umzug in die Frühlingsstraße in Zwickau erfolgt. Eventuell sei das der Schlusspunkt gewesen, möglich sei ein „Einkehren in die bürgerliche Normalität“. Es lässt sich bei den Taten eine Risikoerhöhung feststellen, evtl. hat auch das zu einem Abbruch der Mordserie geführt
Die Erstellung des Videos sei bis 21. März 2007 über sechs Wochen sehr intensiv gewesen. Der Zeuge vermutet das der Fehmarn-Urlaub, für den am 21. Mai 2007 das Geld überwiesen worden sei, eine stärkere Einarbeitung des Kiesewetter-Mordes verhindert hätte. Außerdem hätte eine stärkere Einbindung des Kiesewetter-Mords die ursprüngliche Erzählstruktur wohl sehr verändert oder gar verunmöglicht.
Es ist unklar, ob das Video überhaupt als Bekennervideo gedacht war und nicht eher als Manifest und Dokumentation. Der Zeuge zieht in der DVD einen starken „Urheberstolz“ am Werk. Die Schlussfolie des Films verweist auf eine mögliche zweite DVD.
Uwe Mundlos, genannt „Max“, hat wohl sehr gute IT-Kenntnisse gehabt, er hat als „Max“, laut dem aufgefundenen handschriftlichen Drehbuch auch häufig geschnitten.
Auf Frage, woher das Bildmaterial stamme, gibt der Experte an, dass fast alle Bildausschnitte aus dem TV stammen würden, es sich in drei Fällen aber um eigene Tatortaufnahmen, aufgenommen unmittelbar nach Tatortbegehung, handeln würde.
Als zweiter Zeuge spricht Devinder S. (36), der über eine Punjabi-Dolmetscherin mit dem Untersuchungsausschuss kommuniziert.
Er arbeitet in Heilbronn in einer Pizzaria und hatte Pause. Er sei 13.55 Uhr von Pizzeria losgelaufen und wären gegen 14.10 Uhr am Tatort gewesen. Er und sein Kollege seien Spazieren gewesen und hätten am Fluss das Polizeiauto gesehen, aus dem eine blutende Person herausgehangen habe. Dann sei ein Taxi gekommen und dann die Polizei.
Als dritter Zeuge spricht Peter S. (51) aus Heilbronn. Er ist am Tattag mit dem Fahrrad über die Brücke beim Tattag gefahren. Ein älteres Paar sei ihm auf dem Rad entgegen gekommen. Er hat das Polizeiauto mit offenen Türen bemerkt. Er hat dann eine blutverschmierte Person gesehen. Nichts habe sich mehr bewegt. Zuerst habe er gedacht es werde ein Film gedreht. Er habe dann beschlossen zum Bahnhof zu fahren, um Hilfe zu holen.
Er habe dann einem Taxifahrer Bescheid gegeben und dieser habe nach einigem Zögern habe dieser die Polizei verständigt. Währenddessen habe ein weiterer Taxifahrer zugehört und sei dann losgefahren.
Ein Wohnmobil sei ihm nicht aufgefallen.
Der Radfahrer gibt an, dass der Platz bei der Theresienwiese nach seiner Beobachtung seit zehn Jahren von Polizeibeamten als Pausenort genutzt werde.
Vierter Zeuge war der Polizeikommissar Uwe B. (35) aus Reutlingen. Dieser war von 2005 bis 2007 Mitglied in der BFE von Arnold und Kieswetter.
Über Arnold könne er kaum etwas sagen, weil dieser ganz neu in der Einheit gewesen sei.
Am 25. April 2007 fand ein ganz normaler Einsatz in Heilbronn statt. Vier der Beamte waren in Uniform und zwei in Zivil, er sei auch in Zivil gewesen.
Sie wären mit Zivilfahrzeugen nach Heilbronn gefahren, dann hätte es eine Einsatzbesprechung gegen und dann den Einsatz. Er sei mit dem Gruppenführer Timo Heß unterwegs gewesen.
Zur Entscheidung in Bezug auf die Diensteinteilung könne er nichts sagen. Befragt zu dem Eintrag „Adolf H. + Haftbefehl“ in Kiesewetters Dienstbuch könne er ebenfalls nichts sagen.
Er sei etwa fünf Minuten nach der Meldung am Tatort eingetroffen. Er habe in 25 Meter Abstand zum Auto von Kiesewetter gestanden. Warum er trotz Urlaubseinteilung Dienst hatte, wisse er nicht mehr. Er erinnerte sich aber noch gewusst zu haben das Kiesewetter den Dienst getauscht hatte.
Er fuhr damals auch mit zur Familie nach Thüringen.
Ihm war auch bekannt das Polizeibeamte an der Theresienwiese manchmal Pause machten.
Ihm sei nicht bekannt dass Kiesewetter nach dem Einsatz verfolgt worden wäre.
An Einsatz in einer Kellerdisco namens könne er sich nicht erinnern.
Kiesewetter habe er nur beim Dienst getroffen und nicht privat.
Er wurde darauf angesprochen, warum er Heilbronn in einer Aussage als „kriminelle Stadt“ bezeichnet hätte. Das liege an den Einsätzen in der Stadt.
Er wurde auch gefragt, warum er die Mitglieder in einem Sportstudio als „Kundschaft“ bezeichnet hätte. Er gibt an, dass habe er an Auftreten, Aussehen und Umfeld festgemacht.
Drexler zeigt sich darüber erstaunt, dass der Zeuge sich an fast nichts erinnere.
HINTERGRUND: Mehrere Mitglieder der BFE trainierten im Fitnessstudio „Easy Fit“ in Sindelfingen, was auch von Mitgliedern von Bikerclubs frequentiert wurde. Es besteht der Verdacht, dass sich hier Kontakte oder Freundschaften zwischen Polizeibeamten und Organisierter Kriminalität entwickelt haben. Darunter auch Türsteher der Diskothek „Luna“.
Als fünfter Zeuge wurde Kriminalkommissar Volker G. (37) vernommen. Er war seit dem 1. März 2003 bei der BFE in Böblingen, er wurde 2005 in die BFE 523 aufgenommen.
Im November 2005 hat er Michelle Kiesewetter kennen gelernt . Am 25. April 2007 ist er direkt nach Heilbronn, weil er in Heilbronn wohnt. Sie hätten dann mehrere Kontrollen durchgeführt. Er war mit seinem Kollegen Ralf Sterne (oder Staller?) unterwegs, da kam 14 Uhr die Durchsage auf Kollegen sei auf der Theresienwiese geschossen worden. Er und Kollegen seien dann mit Blaulicht zum Tatort gefahren. Er hätte dort An- und Abfahrt kontrolliert.
Ein Konfliktberater habe dann die Mitglieder der Einheit von Kiesewetter herausgelöst.
Drexler fragt nach der Urlaubswoche. Der Zeuge antwortet, diese sei in Vorbereitung auf die G7-Demo in Rostock und die dort anfallenden Überstunden, eingerichtet worden.
Der Einsatz in Heilbronn sei der „erste und einzige“ gewesen, der vormittags angefangen hätte.
Er habe erfahren das Kiesewetter ihren Dienst getauscht habe. Er habe auch gewusst, dass Herr Trömmel (oder Trössel?) der Tauschpartner gewesen sei und nicht wie jahrelang angenommen Lars de Jong.
Drexler fragt nach dem Verschwinden des Dienstplans. Dazu wisse er nichts, so der Zeuge.
In der Mittagszeit habe eine Schulung stattgefunden, an der auch Arnold und Kiesewetter teilgenommen haben. Diese habe etwa bis 13.30 Uhr gedauert.
Er sei am 25. April 2007 nach der Tat im Polizeipräsidium in Heilbronn kurz vernommen wurden.
Eine zu kontrollierende Person habe er nachdem er seine tote Kollegin gesehen habe nicht kontrolliert, da er zu sehr durch den Anblick geschockt gewesen sei.
Er hätte am Tattag auch zwei Inder kontrolliert und diese nach einer Geruchsprobe an den Händen (Schmauchspuren) wieder gehen lassen.
Er habe mit dem Vorgesetzten Barthel telefoniert. Dieser sei „ruckzuck“ da gewesen, in in 30 bis 45 Minuten. Drexler weist darauf hin, dass Barthel nach eigenen Angaben vom Bärensee gekommen sei
Er habe von einem Streit der Mutter mit dem Einheitsführer Bartel in Thüringen mitbekommen, wisse aber nicht mehr worum es gegangen sei.
Gefragt nach einem Einsatz in einer Diskothek „Luna“ in Kornwestheim erinnert sich der Befragte an eine Razzia. Dabei schienen die Betroffenen der Razzia vorgewarnt.
Eine weitere, ähnliche Razzia in Bad Biberach hätte sich gegen eine Diskothek der „Outlaws“, gerichtet.
Auf die Frage nach der Rolle der Hells Angels in Heilbronn antwortet der Zeuge das diese in Heilbronn einen chapter unterhalten würden.
Er und Kollegen hätten sich nach Martin Arnolds Genesung mal in einer Wirtschaft mit Kollegen getroffen. Später habe er Arnold auch bei einer Party in Villingen-Schwenningen kennen gelernt. Dabei habe dieser gesagt das es ihm gut gehe und er keine Nachwirkungen von der Tat habe.
Auf Nachfrage nach Einsätzen in Zusammenhang mit der rechten Szene erinnert der Zeuge sich an Lars Keppler bzw. an eine von diesem veranstaltete Demonstration in Crailsheim oder Heilbronn.
Zum Inhalt einer so genannten „Amok-Kiste“ im Auto will er sich nicht äußern.
Als sechster Zeuge spricht Joachim K. (52), damals Einsatzleiter beim Mobilen Einsatzkommando Karlsruhe (MEK). Er sei „ad hoc“ zum Tatort gefahren, nachdem von dem Mord berichtet wurde. Sie seien konkret angefordert worden, vermutlich von Heilbronn.
Es seien drei Kommandos vor Ort gewesen. Die Stadt wurde abgeriegelt und sie seien dann nach Bedarf eingesetzt wurden.
Er und seine Einheit seien nie direkt am Tatort gewesen.
Als siebte und letzte Zeugin an diesem Tag sagte Sabine R. (47) aus. Sie hat bereits mehrfach vor dem LUA ausgesagt. Sie hat 20 Personen im Opfer-Umfeld befragt.
Sie sagt aus es wären drei MEKs, u.a. aus Karlsruhe, und das SEK zum Tatort gekommen.
Drexler bittet die Zeugin einen Überblick über den Tagesablauf von Kiesewetter und Arnold zu geben, da sie diesen rekonstruiert hätte.
Kiesewetter habe am 23. April 2007 SMS-Kontakt mit Arnold gehabt. Demnach war ihr am Montag offenbar noch nicht klar mit wem sie am Donnerstag Dienst haben würde.
Drexler fragt nach der Vernehmung durch Mike Wenzel und dessen in-Verbindung-setzen mit der Ceska-Mordserie. Sie gibt an, dass Wenzel sich zuerst nicht daran erinnert habe, nach einer Vorhaltung seiner Aussage aber diese mit den Informationen aus den Medien erklärte.
Drexler führt an, dass laut dem Thüringer LUA Yug P., ein Rechter, als Türsteher in einer Diskothek in Pforzheim gearbeitet haben soll, in der Kiesewetter undercover eingesetzt war. Das konnte die Zeugin nicht beweisen.
Die Zeugin gibt an Kiesewetter habe als BFE-Mitglied 199 Einsätze gehabt, davon 15 in Heilbronn.
Sie gibt an das das MEK am Tatort vor Ort war.
Es wurde ihr von Kollegen gesagt, dass diese durch den Wechsel von Uniform und Zivil erkannt und von der „Szene“ angesprochen wurde. Deswegen sei Kiesewetter 2006 eine Zeit lang nicht mehr in Heilbronn gewesen, um ihre Tarnung aufrecht zu erhalten.
BFE = Beweisnahme- und Festnahme-Einheit
MEK = Mobiles Einsatzkommando