Post by Admin on Nov 17, 2014 7:52:42 GMT 1
Deutscher Bundestag: Drucksache 13/7378 vom 08.04.1997
dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/073/1307378.asc
Eine Garantie für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Texte von
Bundestagsdrucksachen kann nicht übernommen werden. Maßgebend ist
die Papierform der Drucksachen. Aus technischen Gründen sind Tabel-
len nicht formatgerecht und Grafiken gar nicht in den Texten enthal-
ten. Teile der Drucksachen (Anlagen), die z. B. im Kopierverfahren
hergestellt wurden, fehlen ebenfalls.
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annelie Buntenbach und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 13/7229 -
Der mutmaßliche Mord an einem Polizisten und die neonazistischen
Untergrundgruppen
Im Zusammenhang mit dem Anschlag auf einen Berliner Buchhändler am 19.
Februar 1997 und dem Polizistenmord an der Autobahn Hamburg-Berlin am
23. Februar 1997 ist in der Öffentlichkeit auf die Verbindungen des
Täters zu neonazistischen Untergrundgruppen hingewiesen worden. In
einem Bericht des "blick nach rechts" vom 5. März 1997 wird u. a.
berichtet, Kai Diesner habe "seine braune Karriere" in Ostberlin in der
"Nationalen Alternative" und dem besetzten Haus in der Weitlingstraße
begonnen, wo auch "Neonazi-Führer wie Gottfried Küssel und Terroristen
wie Ekkehard Weil" verkehrten. Später schloß er sich erst den
Gruppierungen um Arnulf Priem und dann der Gruppe "Weißer Arischer
Widerstand" (WAW) an, Die Zeitschrift "DER SPIEGEL" vom 3. März 1997
berichtet über die Teilnahme Kai Diesners an Wehrsportübungen der
"Sozialrevolutionären Nationalisten" (S. 33).
Trotz dieser Verbindungen sah der Präsident des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, Peter Frisch, in "DER SPIEGEL" vom 3. März 1997
"keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß in Deutschland
rechtsterroristische Strukturen bestehen." (S. 33). Auch der
Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1995 (hrsg. vom Bundesministerium
des Innern, August 1996, S. 113) stellt eine "Phase des
Rechtsterrorismus" lediglich "zwischen 1977 und 1982" fest.
"Rechtsextremistisch motivierte Gewalt wurde von Einzeltätern oder
zumeist spontan entstandenen Gruppen ausgeübt und nicht von
rechtsterroristischen Organisationen."
Demgegenüber stehen verschiedene Veröffentlichungen, die von einer
systematischen paramilitärischen Ausbildung von Neonazis in
Wehrsportlagern berichten und hinter den rechtsextremen Gewalttaten ein
Netz von Organisationen erkennen, das zielgerichtet weltanschauliches
wie praktisches Rüstzeug für den Untergrundkampf verbreitet. In dem
1996 in Berlin erschienenen Buch "Drahtzieher im braunen Netz" werden
mehrere neonazistische Aufrufe zitiert, die offen zur Gewalt aufrufen.
So ein "Deutsches Manifest" von 1995 mit den Worten "Ab dem 9. Mai 1995
beginnt der Volkskrieg oder ein "Autonomnationalistisches Manifest
1990" mit dem Satz "Es könnte einmal die Stunde kommen, in der unsere
agitatorische Munition durch Splitterhandgranaten, Flammöl und
Explosivgeschosse ausgetauscht und/oder ergänzt wird." Darüber hinaus
seien in der Neonaziszene Veröffentlichungen wie das "Werwolf-Handbuch
-- Winke für Jagdeinheiten" mit Anleitungen zur Herstellung von
Sprengstoff oder die Strategieschrift "Eine Bewegung in Waffen"
verbreitet worden. Die Gruppierung "WAW" wird als eine zielgerichtete
Gemeinschaft von Mitgliedern verschiedener Organisationen beschrieben,
die "die Zeitung ,NS-Denkzettel' gründeten, um in der Szene für den
,Werwolf' zu werben" (S. 40 ff.). Der Aussteiger Ingo Hasselbach
beschreibt in seiner 1993 in Berlin und Weimar erschienenen
Veröffentlichung "Die Abrechnung" regelmäßige Wehrsportübungen "mit
scharfen Waffen" in den "märkischen Wäldern". Einige Wehrsportlager
seien zusammen mit dem rassistischen "Ku-Klux-Clan" veranstaltet
worden. Diese Gruppe habe in Zeesen bei Königs Wusterhausen mehrfach
ein von Autonomen besetztes Haus angegriffen. Bei einem dieser
Überfälle sei einem niederländischen Besetzer die Schulter
durchschossen worden (S. 115 f.). Abseits der "normalen
Wehrsportübungen" sei auch der Bau von Briefbomben vermittelt worden.
(vgl. Drahtzieher im braunen Netz, Berlin 1996, S. 43).
In dem 1996 in Berlin erschienenen "Handbuch deutscher
Rechtsextremismus" (hrsg. von Jens Mecklenburg) wird auch über die
NSDAP/AO berichtet, sie habe sowohl "Eine Bewegung in Waffen" teilweise
nachgedruckt als auch eine Bombenbauanleitung auf Diskette versandt (S.
580). Ein "Party-Officer" der NSDAP/AO baute zudem die Wehrsportgruppe
"Heimatschutzkorps Ostwestfalen-Lippe" auf, über die die Zeitschrift
"DER SPIEGEL" in ihrer Ausgabe 18/1996 schrieb (S. 76 f.) und bei deren
Mitgliedern die Polizei im Herbst 1995 Waffen, Uniformen usw.
beschlagnahmte. Der "Party-Officer", der zugleich V-Mann des nordrhein-
westfälischen Verfassungsschutzes war, bestätigte in einem Interview
der "tageszeitung" vom 8. Mai 1996 die Existenz von mindestens zwei
weiteren Wehrsportgruppen der NSDAP/AO.
Insbesondere der "WAW" orientiert sich an der US-amerikanischen
Organisation "White Aryan Resistance" (WAR) und der gleichnamigen
schwedischen Terrorgruppe "Vitt Ariskt Motstand" (VAM). Der WAR
vertritt ähnlich der Werwolfstruktur den sog. "führerlosen Widerstand",
der auf eine feste Gruppenstruktur nach außen hin verzichtet. Diese
strategische Option ist auch von Neonazis in der Bundesrepublik
Deutschland aufgenommen worden. ("blick nach rechts" vom 5. März 1997).
So wurde in der Ausgabe 2/96 der Szenezeitschrift "Blood and Honour,
Division Deutschland" ausdrücklich zu "Leaderless Resistance"
aufgerufen. Demnach ist die Schlußfolgerung naheliegend, daß die
Existenz von sog. "Einzeltätern" dieser strategischen Option
entspricht. Dafür spricht auch die Einbindung und Ausbildung des Kai
Diesner durch verschiedene Organisationen der Neonaziszene.
Besonders besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang die aus der
Weltanschauung begründete hohe Gewaltbereitschaft und der hohe
Verbreitungsgrad von Waffen in der Neonaziszene. So war auch der mit
Kai Diesner in enger Verbindung stehende Arnulf Priem Mitglied des
"Allgemeinen Deutschen Schützen Clubs" (ADSC). Arnulf Priem übte auf
einer Schießanlage des Clubs. Der mit ihm ebenfalls in Verbindung
stehende Neonazi Günther Bebenroth stahl allein 300 Schußwaffen des
ADSC (vgl. "DER SPIEGEL" Ausgabe 39/1994). Die Waffe Kai Diesners, so
schreibt der "blick nach rechts" vom 5. März 1997, "stammt nach Ansicht
der Polizei wahrscheinlich von einem österreichischen Kameraden des
Todesschützen".
1. In welchen Mengen wurden bei Rechtsextremen in den Jahren 1990,
1991, 1992, 1993, 1994, 1995 und 1996 jeweils Schußwaffen, Sprengstoffe
und sonstige gefährliche Waffen beschlagnahmt?
Im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in
Staatsschutzangelegenheiten wurden dem Bundeskriminalamt die folgenden
Erkenntnisse über die Sicherstellung von Schußwaffen,
Sprengvorrichtungen etc. bei Rechtsextremisten gemeldet. Die
Darstellung erhebt im Hinblick auf bestehende Löschungsfristen keinen
Anspruch auf Vollständigkeit. Aufgrund der genannten Löschungsfristen
liegen Daten für die Zeit vor 1992 nicht mehr vor.
1992
1993
1994
1995
1996
Kriegswaffen (militärischer Herkunft)
3
10
3
7
--
Langwaffen
8
8
4
5
2
Faustfeuerwaffen
6
9
11
11
4
Spreng-/ Brandvorrichtungen
5
6
1
11
2
2. Wie viele Feindlisten wurden bei Rechtsextremen jeweils in den
Jahren 1990 bis 1996 beschlagnahmt?
Ebenso wie im linksextremistischen Bereich kursieren unter
Rechtsextremisten von Zeit zu Zeit im Rahmen der "Anti-Antifa"-Arbeit
sog. Feindlisten. Ein Beispiel dieser "Anti-Antifa"-Arbeit war im Jahr
1993 die Verbreitung der Druckschrift "Der Einblick", die Namen und
Anschriften von ca. 250 politischen Gegnern enthielt. Insoweit wird auf
die Verfassungsschutzberichte des Bundes 1993 (S. 88 f.), 1994 (S. 100
f.) und 1995 (S. 127 f.) verwiesen.
Im Jahr 1996 wurde bekannt, daß das rechtsextremistische THULE-Netz
eine ca. 220 Institutionen/Organisationen/Personen umfassende Sammlung
von Daten politischer Gegner enthält. Dem Sachverhalt wird im Rahmen
eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Bildung einer
kriminellen Vereinigung u. a. Straftaten nachgegangen.
Des weiteren wurde mehrfach bekannt, daß von Angehörigen der
rechtsxtremistischen Szene Erkenntnisse über Justizbedienstete
(Richter/Staatsanwälte) und Polizeibeamte gesammelt werden.
Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wurden eingeleitet.
Erkenntnisse über Straftaten als Ergebnis derartiger Sammlungen liegen
dem Bundeskriminalamt nicht vor.
3. Wie viele Wehrsportübungen mit scharfen Waffen sind der
Bundesregierung jeweils in den Jahren 1990 bis 1996 bekanntgeworden?
a) Von welchen Gruppierungen wurden diese Wehrsportübungen
jeweils organisiert, oder -- sofern sie von Einzelpersonen organisiert
wurden -- welchen Gruppierungen können diese ggf. zugerechnet werden?
b) Wie viele Rechtsextremisten nahmen jeweils an diesen
Wehrsportübungen teil?
c) Welche strafrechtlichen Konsequenzen hatte nach Kenntnis der
Bundesregierung die Organisation oder Teilnahme an diesen
Wehrsportübungen?
Aufgrund datenschutzrechtlicher Löschungsfristen liegen dem
Bundeskriminalamt lediglich Meldungen über die Durchführung von
Wehrsportübungen unter Verwendung "scharfer Schußwaffen" aus dem Jahr
1995 vor. Danach wurden folgende Ermittlungsverfahren eingeleitet:
-- Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz,
Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung u. a. Straftaten
gegen 14 zumeist jugendliche Mitglieder einer Wehrsportgruppe in
Förderstedt/ST. Erkenntnisse über Verbindungen zu bzw. eine Steuerung
durch rechtsextremistische Organisationen liegen nicht vor.
-- Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gegen
sechs Angehörige einer Wehrsportgruppe in Cunewalde/SN. Erkenntnisse
über Verbindungen zu bzw. eine Steuerung durch rechtsextremistische
Organisationen liegen nicht vor.
Darüber hinaus wurde in dem in der Frage genannten Zeitraum durch den
Generalbundesanwalt wegen der Durchführung von Wehrsportübungen gegen
die "Wehrsportgruppe der Kameradschaft Leinefelde" ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a
Abs. 1 StGB eingeleitet. Das Verfahren wurde insoweit nach § 170 Abs. 2
StPO eingestellt und im übrigen an die zuständige Staatsanwaltschaft
abgegeben.
4. Welche Anleitungen zu Gewalttaten aus der rechtsextremen Szene
sind der Bundesregierung bekannt?
Zu den in der neonazistischen Szene kursierenden Publikationen gehören
u. a. das "Handbuch für improvisierte Sprengtechnik" aus der seit 1990
verbreiteten Schriftenreihe "Eine Bewegung in Waffen" sowie das
offizielle Handbuch der Schweizer Armee für Sabotage- und
Kommandoaktionen mit dem Titel "Der totale Widerstand --
Kleinkriegsanleitung für jedermann". Darüber hinaus sind das
Standardwerk der "Green Barrets", "Special Forces" über subversive
Kampfführung, das "Terrorist Handbook" und weitere englischsprachige
Unterlagen über Herstellungsverfahren von Sprengmitteln/-stoffen im
Umlauf. Bei Hausdurchsuchungen wurden mehrfach individuell erstellte
Anleitungen zum Herstellen von Sprengmitteln bzw. zum Umbau von
Schreckschuß- und Dekorationswaffen in scharfe Waffen gefunden.
Verschiedene Publikationen, wie z. B. das "Terrorist Handbook" sind
über Internet jedermann zugänglich.
5. Welche Verbindungen deutscher Rechtsextremisten zu ausländischen
neonazistischen und rassistischen Terrorgruppen sind der
Bundesregierung bekannt?
Etablierte Verbindungen deutscher rechtsextremistischer Gruppierungen
zu solchen Organisationen sind bisher nicht bekannt geworden. Das
schließt einzelne Kontakte unterschiedlicher Art und Intensität nicht
aus.
6. Welche verfassungsschutzrelevanten Auskünfte kann die
Bundesregierung insbesondere über die Herkunft der Tatwaffe Kai
Diesners geben?
Zu Fragen, die laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren betreffen,
gibt die Bundesregierung entsprechend ständiger Praxis grundsätzlich
keine Auskünfte.
7. Welche Auskünfte kann die Bundesregierung über die Gruppierungen
um Arnulf Priem, über die "Nationale Alternative" die
"Sozialrevolutionären Nationalisten" und die Gruppe "WAW" geben und
über die Straftaten, die von deren Anhängern verübt wurden?
Zu Arnulf Priem wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Abgeordneten Siegfried Vergin, Klaus Barthel, Ingrid
Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
(Drucksache 13/5434) zu den Fragen 5 a) bis i) verwiesen.
Die "Nationale Alternative Berlin" wurde am 1. Februar 1990 in
Ostberlin von Angehörigen der dortigen Neonazi- bzw. Skinhead-Szene
gegründet. 1993 war sie nur noch eine inaktive Funktionärsgruppe ohne
Bedeutung.
Eine Gruppe mit der Bezeichnung "Sozialrevolutionäre Nationalisten"
wurde erstmals im April 1992 bekannt, als die Polizei bei der Kontrolle
eines Neonazis eine Visitenkarte mit dieser Aufschrift fand. Die Gruppe
verstand sich vermutlich als Berliner Zelle der amerikanischen
Organisation NSDAP/AO.
Zum "Weißen Arischen Widerstand" wird auf die Antwort der
Bundesregierung vom 21. März 1997 zu Frage 4 der Kleinen Anfrage der
Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
(Drucksache 13/7151) verwiesen.
a) Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Fall Kai
Diesner hinsichtlich einer Gefährdung der inneren Sicherheit durch
Anhänger dieser Gruppierungen?
Eine Gefährdung der inneren Sicherheit durch die genannten Gruppen, die
alle entweder aufgelöst oder inaktiv sind, ist nicht erkennbar.
b) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten ggf. ergriffen, um eine Gefährdung der inneren
Sicherheit durch diese Gruppierungen abzuwenden?
Die Beobachtung des gewaltbereiten Neonazismus ist eine der
Hauptaufgaben der Verfassungsschutzbehörden. Sofern sich dabei
Erkenntnisse über eine Gefährdung der inneren Sicherheit durch
derartige Gruppierungen ergeben, wird die Bundesregierung alle
notwendigen und geeigneten Maßnahmen ergreifen.
8. Welche Auskünfte kann die Bundesregierung über die Gruppierungen
"Nationales Einsatzkommando"' "Ku-Klux-Clan", "Wehrsportgruppe 1.
Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg" (Handbuch des Rechtsextremismus, a. a.
O., S. 636), die Wehrsportgruppen der NSDAP/AO und die Hersteller und
Verbreiter der Neonazi-Feindliste "Der Einblick"
(Verfassungsschutzbericht 1995, a. a. O., S. 127 f.) geben?
Zum "Nationalen Einsatzkommando" wird auf die Verfassungsschutzberichte
des Bundes 1991 (S. 102) und 1992 (S. 89, 96) verwiesen. Durch die
Bundesanwaltschaft wurde gegen diese Gruppierung wegen des Verdachts
der Beihilfe zum Versuch der Gründung einer terroristischen Vereinigung
ermittelt. Das Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Zur Wehrsportgruppe "1. Werwolf Jagdeinheit Senftenberg" wird auf den
Verfassungsschutzbericht des Bundes 1992 (S. 90) hingewiesen. Der
Anführer der Gruppe wurde 1994 durch das Landgericht Cottbus wegen
gemeinschaftlichen Mordes, räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer,
bewaffneten Raubes u. a. Straftaten zu 15 Jahren Freiheitsstrafe
verurteilt. Drei weitere Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen zwischen
drei und neun Jahren Jugendstrafe verurteilt.
Zur Publikation "Der Einblick" und deren Herstellern/Verbreitern wird
auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.
Der Ku-Klux-Klan ist in den USA in zahlreiche regionale
Untergruppierungen zersplittert und hat inzwischen erheblich an
Bedeutung verloren. Gegen einen mutmaßlichen Ableger des Ku-Klux-Klan
in Deutschland wurde wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a
Abs. 1 StGB ermittelt. Das Verfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO
eingestellt. Zur Zeit verfügt der Ku-Klux-Klan in Deutschland nicht
über eine organisierte Anhängerschaft.
Zu angeblichen Wehrsportgruppen der NSDAP/AO haben weder umfangreiche
Ermittlungen der Verfassungsschutzbehörden noch das Strafverfahren
gegen Gary Rex Lauck Hinweise geliefert.
9. Wie beurteilt die Bundesregierung neue Tendenzen wie das "Werwolf-
Konzept" oder den "führerlosen Widerstand" in der neonazistischen
Szene?
Es gibt keine Hinweise auf eine Umsetzung solcher Konzepte in der
Neonazi-Szene.
10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten ergriffen, um gegen neonazistische Untergrundgruppen
vorzugehen?
Auf die Antwort zu Frage 7. b) wird verwiesen.
11. Wie viele Ermittlungsverfahren nach § 129 a StGB (alle
Tatbestands-Alternativen) wegen Bildung terroristischer Vereinigungen
wurden jeweils in den Jahren 1990 bis 1996 gegen Linksextremisten und
Rechtsextremisten eingeleitet?
Wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a StGB wurden in der Zeit
von 1990 bis 1996 vom Generalbundesanwalt insgesamt 1 039
Ermittlungsverfahren eingeleitet, wobei in 464 Fällen der
Anfangsverdacht auf § 129 a Abs. 3 StGB gestützt war. Neun der wegen
des Verdachts einer Straftat nach § 129 a StGB eingeleiteten Verfahren
richteten sich gegen Beschuldigte, die dem Rechtsextremismus
zuzurechnen waren.
Aufgeschlüsselt nach Jahren und Tatbestandsalternativen ergibt sich
folgendes Bild:
Verfahren
insgesamt
Verfahren nach
§ 129 a Abs. 3 StGB
Verfahren aus dem rechtsextremistischen Bereich
1990
129
63
0
1991
186
89
0
1992
52
23
2
1993
150
66
0
1994
116
64
3
1995
287
124
1
1996
119
35
3
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des
Bundesministeriums des Innern vom 8. April 1997 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich -- in kleinerer Schrifttype -- den
Fragetext.
08.04.1997 nnnn
dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/073/1307378.asc
Eine Garantie für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Texte von
Bundestagsdrucksachen kann nicht übernommen werden. Maßgebend ist
die Papierform der Drucksachen. Aus technischen Gründen sind Tabel-
len nicht formatgerecht und Grafiken gar nicht in den Texten enthal-
ten. Teile der Drucksachen (Anlagen), die z. B. im Kopierverfahren
hergestellt wurden, fehlen ebenfalls.
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annelie Buntenbach und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 13/7229 -
Der mutmaßliche Mord an einem Polizisten und die neonazistischen
Untergrundgruppen
Im Zusammenhang mit dem Anschlag auf einen Berliner Buchhändler am 19.
Februar 1997 und dem Polizistenmord an der Autobahn Hamburg-Berlin am
23. Februar 1997 ist in der Öffentlichkeit auf die Verbindungen des
Täters zu neonazistischen Untergrundgruppen hingewiesen worden. In
einem Bericht des "blick nach rechts" vom 5. März 1997 wird u. a.
berichtet, Kai Diesner habe "seine braune Karriere" in Ostberlin in der
"Nationalen Alternative" und dem besetzten Haus in der Weitlingstraße
begonnen, wo auch "Neonazi-Führer wie Gottfried Küssel und Terroristen
wie Ekkehard Weil" verkehrten. Später schloß er sich erst den
Gruppierungen um Arnulf Priem und dann der Gruppe "Weißer Arischer
Widerstand" (WAW) an, Die Zeitschrift "DER SPIEGEL" vom 3. März 1997
berichtet über die Teilnahme Kai Diesners an Wehrsportübungen der
"Sozialrevolutionären Nationalisten" (S. 33).
Trotz dieser Verbindungen sah der Präsident des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, Peter Frisch, in "DER SPIEGEL" vom 3. März 1997
"keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß in Deutschland
rechtsterroristische Strukturen bestehen." (S. 33). Auch der
Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1995 (hrsg. vom Bundesministerium
des Innern, August 1996, S. 113) stellt eine "Phase des
Rechtsterrorismus" lediglich "zwischen 1977 und 1982" fest.
"Rechtsextremistisch motivierte Gewalt wurde von Einzeltätern oder
zumeist spontan entstandenen Gruppen ausgeübt und nicht von
rechtsterroristischen Organisationen."
Demgegenüber stehen verschiedene Veröffentlichungen, die von einer
systematischen paramilitärischen Ausbildung von Neonazis in
Wehrsportlagern berichten und hinter den rechtsextremen Gewalttaten ein
Netz von Organisationen erkennen, das zielgerichtet weltanschauliches
wie praktisches Rüstzeug für den Untergrundkampf verbreitet. In dem
1996 in Berlin erschienenen Buch "Drahtzieher im braunen Netz" werden
mehrere neonazistische Aufrufe zitiert, die offen zur Gewalt aufrufen.
So ein "Deutsches Manifest" von 1995 mit den Worten "Ab dem 9. Mai 1995
beginnt der Volkskrieg oder ein "Autonomnationalistisches Manifest
1990" mit dem Satz "Es könnte einmal die Stunde kommen, in der unsere
agitatorische Munition durch Splitterhandgranaten, Flammöl und
Explosivgeschosse ausgetauscht und/oder ergänzt wird." Darüber hinaus
seien in der Neonaziszene Veröffentlichungen wie das "Werwolf-Handbuch
-- Winke für Jagdeinheiten" mit Anleitungen zur Herstellung von
Sprengstoff oder die Strategieschrift "Eine Bewegung in Waffen"
verbreitet worden. Die Gruppierung "WAW" wird als eine zielgerichtete
Gemeinschaft von Mitgliedern verschiedener Organisationen beschrieben,
die "die Zeitung ,NS-Denkzettel' gründeten, um in der Szene für den
,Werwolf' zu werben" (S. 40 ff.). Der Aussteiger Ingo Hasselbach
beschreibt in seiner 1993 in Berlin und Weimar erschienenen
Veröffentlichung "Die Abrechnung" regelmäßige Wehrsportübungen "mit
scharfen Waffen" in den "märkischen Wäldern". Einige Wehrsportlager
seien zusammen mit dem rassistischen "Ku-Klux-Clan" veranstaltet
worden. Diese Gruppe habe in Zeesen bei Königs Wusterhausen mehrfach
ein von Autonomen besetztes Haus angegriffen. Bei einem dieser
Überfälle sei einem niederländischen Besetzer die Schulter
durchschossen worden (S. 115 f.). Abseits der "normalen
Wehrsportübungen" sei auch der Bau von Briefbomben vermittelt worden.
(vgl. Drahtzieher im braunen Netz, Berlin 1996, S. 43).
In dem 1996 in Berlin erschienenen "Handbuch deutscher
Rechtsextremismus" (hrsg. von Jens Mecklenburg) wird auch über die
NSDAP/AO berichtet, sie habe sowohl "Eine Bewegung in Waffen" teilweise
nachgedruckt als auch eine Bombenbauanleitung auf Diskette versandt (S.
580). Ein "Party-Officer" der NSDAP/AO baute zudem die Wehrsportgruppe
"Heimatschutzkorps Ostwestfalen-Lippe" auf, über die die Zeitschrift
"DER SPIEGEL" in ihrer Ausgabe 18/1996 schrieb (S. 76 f.) und bei deren
Mitgliedern die Polizei im Herbst 1995 Waffen, Uniformen usw.
beschlagnahmte. Der "Party-Officer", der zugleich V-Mann des nordrhein-
westfälischen Verfassungsschutzes war, bestätigte in einem Interview
der "tageszeitung" vom 8. Mai 1996 die Existenz von mindestens zwei
weiteren Wehrsportgruppen der NSDAP/AO.
Insbesondere der "WAW" orientiert sich an der US-amerikanischen
Organisation "White Aryan Resistance" (WAR) und der gleichnamigen
schwedischen Terrorgruppe "Vitt Ariskt Motstand" (VAM). Der WAR
vertritt ähnlich der Werwolfstruktur den sog. "führerlosen Widerstand",
der auf eine feste Gruppenstruktur nach außen hin verzichtet. Diese
strategische Option ist auch von Neonazis in der Bundesrepublik
Deutschland aufgenommen worden. ("blick nach rechts" vom 5. März 1997).
So wurde in der Ausgabe 2/96 der Szenezeitschrift "Blood and Honour,
Division Deutschland" ausdrücklich zu "Leaderless Resistance"
aufgerufen. Demnach ist die Schlußfolgerung naheliegend, daß die
Existenz von sog. "Einzeltätern" dieser strategischen Option
entspricht. Dafür spricht auch die Einbindung und Ausbildung des Kai
Diesner durch verschiedene Organisationen der Neonaziszene.
Besonders besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang die aus der
Weltanschauung begründete hohe Gewaltbereitschaft und der hohe
Verbreitungsgrad von Waffen in der Neonaziszene. So war auch der mit
Kai Diesner in enger Verbindung stehende Arnulf Priem Mitglied des
"Allgemeinen Deutschen Schützen Clubs" (ADSC). Arnulf Priem übte auf
einer Schießanlage des Clubs. Der mit ihm ebenfalls in Verbindung
stehende Neonazi Günther Bebenroth stahl allein 300 Schußwaffen des
ADSC (vgl. "DER SPIEGEL" Ausgabe 39/1994). Die Waffe Kai Diesners, so
schreibt der "blick nach rechts" vom 5. März 1997, "stammt nach Ansicht
der Polizei wahrscheinlich von einem österreichischen Kameraden des
Todesschützen".
1. In welchen Mengen wurden bei Rechtsextremen in den Jahren 1990,
1991, 1992, 1993, 1994, 1995 und 1996 jeweils Schußwaffen, Sprengstoffe
und sonstige gefährliche Waffen beschlagnahmt?
Im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in
Staatsschutzangelegenheiten wurden dem Bundeskriminalamt die folgenden
Erkenntnisse über die Sicherstellung von Schußwaffen,
Sprengvorrichtungen etc. bei Rechtsextremisten gemeldet. Die
Darstellung erhebt im Hinblick auf bestehende Löschungsfristen keinen
Anspruch auf Vollständigkeit. Aufgrund der genannten Löschungsfristen
liegen Daten für die Zeit vor 1992 nicht mehr vor.
1992
1993
1994
1995
1996
Kriegswaffen (militärischer Herkunft)
3
10
3
7
--
Langwaffen
8
8
4
5
2
Faustfeuerwaffen
6
9
11
11
4
Spreng-/ Brandvorrichtungen
5
6
1
11
2
2. Wie viele Feindlisten wurden bei Rechtsextremen jeweils in den
Jahren 1990 bis 1996 beschlagnahmt?
Ebenso wie im linksextremistischen Bereich kursieren unter
Rechtsextremisten von Zeit zu Zeit im Rahmen der "Anti-Antifa"-Arbeit
sog. Feindlisten. Ein Beispiel dieser "Anti-Antifa"-Arbeit war im Jahr
1993 die Verbreitung der Druckschrift "Der Einblick", die Namen und
Anschriften von ca. 250 politischen Gegnern enthielt. Insoweit wird auf
die Verfassungsschutzberichte des Bundes 1993 (S. 88 f.), 1994 (S. 100
f.) und 1995 (S. 127 f.) verwiesen.
Im Jahr 1996 wurde bekannt, daß das rechtsextremistische THULE-Netz
eine ca. 220 Institutionen/Organisationen/Personen umfassende Sammlung
von Daten politischer Gegner enthält. Dem Sachverhalt wird im Rahmen
eines Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts der Bildung einer
kriminellen Vereinigung u. a. Straftaten nachgegangen.
Des weiteren wurde mehrfach bekannt, daß von Angehörigen der
rechtsxtremistischen Szene Erkenntnisse über Justizbedienstete
(Richter/Staatsanwälte) und Polizeibeamte gesammelt werden.
Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wurden eingeleitet.
Erkenntnisse über Straftaten als Ergebnis derartiger Sammlungen liegen
dem Bundeskriminalamt nicht vor.
3. Wie viele Wehrsportübungen mit scharfen Waffen sind der
Bundesregierung jeweils in den Jahren 1990 bis 1996 bekanntgeworden?
a) Von welchen Gruppierungen wurden diese Wehrsportübungen
jeweils organisiert, oder -- sofern sie von Einzelpersonen organisiert
wurden -- welchen Gruppierungen können diese ggf. zugerechnet werden?
b) Wie viele Rechtsextremisten nahmen jeweils an diesen
Wehrsportübungen teil?
c) Welche strafrechtlichen Konsequenzen hatte nach Kenntnis der
Bundesregierung die Organisation oder Teilnahme an diesen
Wehrsportübungen?
Aufgrund datenschutzrechtlicher Löschungsfristen liegen dem
Bundeskriminalamt lediglich Meldungen über die Durchführung von
Wehrsportübungen unter Verwendung "scharfer Schußwaffen" aus dem Jahr
1995 vor. Danach wurden folgende Ermittlungsverfahren eingeleitet:
-- Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz,
Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung u. a. Straftaten
gegen 14 zumeist jugendliche Mitglieder einer Wehrsportgruppe in
Förderstedt/ST. Erkenntnisse über Verbindungen zu bzw. eine Steuerung
durch rechtsextremistische Organisationen liegen nicht vor.
-- Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gegen
sechs Angehörige einer Wehrsportgruppe in Cunewalde/SN. Erkenntnisse
über Verbindungen zu bzw. eine Steuerung durch rechtsextremistische
Organisationen liegen nicht vor.
Darüber hinaus wurde in dem in der Frage genannten Zeitraum durch den
Generalbundesanwalt wegen der Durchführung von Wehrsportübungen gegen
die "Wehrsportgruppe der Kameradschaft Leinefelde" ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a
Abs. 1 StGB eingeleitet. Das Verfahren wurde insoweit nach § 170 Abs. 2
StPO eingestellt und im übrigen an die zuständige Staatsanwaltschaft
abgegeben.
4. Welche Anleitungen zu Gewalttaten aus der rechtsextremen Szene
sind der Bundesregierung bekannt?
Zu den in der neonazistischen Szene kursierenden Publikationen gehören
u. a. das "Handbuch für improvisierte Sprengtechnik" aus der seit 1990
verbreiteten Schriftenreihe "Eine Bewegung in Waffen" sowie das
offizielle Handbuch der Schweizer Armee für Sabotage- und
Kommandoaktionen mit dem Titel "Der totale Widerstand --
Kleinkriegsanleitung für jedermann". Darüber hinaus sind das
Standardwerk der "Green Barrets", "Special Forces" über subversive
Kampfführung, das "Terrorist Handbook" und weitere englischsprachige
Unterlagen über Herstellungsverfahren von Sprengmitteln/-stoffen im
Umlauf. Bei Hausdurchsuchungen wurden mehrfach individuell erstellte
Anleitungen zum Herstellen von Sprengmitteln bzw. zum Umbau von
Schreckschuß- und Dekorationswaffen in scharfe Waffen gefunden.
Verschiedene Publikationen, wie z. B. das "Terrorist Handbook" sind
über Internet jedermann zugänglich.
5. Welche Verbindungen deutscher Rechtsextremisten zu ausländischen
neonazistischen und rassistischen Terrorgruppen sind der
Bundesregierung bekannt?
Etablierte Verbindungen deutscher rechtsextremistischer Gruppierungen
zu solchen Organisationen sind bisher nicht bekannt geworden. Das
schließt einzelne Kontakte unterschiedlicher Art und Intensität nicht
aus.
6. Welche verfassungsschutzrelevanten Auskünfte kann die
Bundesregierung insbesondere über die Herkunft der Tatwaffe Kai
Diesners geben?
Zu Fragen, die laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren betreffen,
gibt die Bundesregierung entsprechend ständiger Praxis grundsätzlich
keine Auskünfte.
7. Welche Auskünfte kann die Bundesregierung über die Gruppierungen
um Arnulf Priem, über die "Nationale Alternative" die
"Sozialrevolutionären Nationalisten" und die Gruppe "WAW" geben und
über die Straftaten, die von deren Anhängern verübt wurden?
Zu Arnulf Priem wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Abgeordneten Siegfried Vergin, Klaus Barthel, Ingrid
Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
(Drucksache 13/5434) zu den Fragen 5 a) bis i) verwiesen.
Die "Nationale Alternative Berlin" wurde am 1. Februar 1990 in
Ostberlin von Angehörigen der dortigen Neonazi- bzw. Skinhead-Szene
gegründet. 1993 war sie nur noch eine inaktive Funktionärsgruppe ohne
Bedeutung.
Eine Gruppe mit der Bezeichnung "Sozialrevolutionäre Nationalisten"
wurde erstmals im April 1992 bekannt, als die Polizei bei der Kontrolle
eines Neonazis eine Visitenkarte mit dieser Aufschrift fand. Die Gruppe
verstand sich vermutlich als Berliner Zelle der amerikanischen
Organisation NSDAP/AO.
Zum "Weißen Arischen Widerstand" wird auf die Antwort der
Bundesregierung vom 21. März 1997 zu Frage 4 der Kleinen Anfrage der
Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Gregor Gysi und der Gruppe der PDS
(Drucksache 13/7151) verwiesen.
a) Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Fall Kai
Diesner hinsichtlich einer Gefährdung der inneren Sicherheit durch
Anhänger dieser Gruppierungen?
Eine Gefährdung der inneren Sicherheit durch die genannten Gruppen, die
alle entweder aufgelöst oder inaktiv sind, ist nicht erkennbar.
b) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten ggf. ergriffen, um eine Gefährdung der inneren
Sicherheit durch diese Gruppierungen abzuwenden?
Die Beobachtung des gewaltbereiten Neonazismus ist eine der
Hauptaufgaben der Verfassungsschutzbehörden. Sofern sich dabei
Erkenntnisse über eine Gefährdung der inneren Sicherheit durch
derartige Gruppierungen ergeben, wird die Bundesregierung alle
notwendigen und geeigneten Maßnahmen ergreifen.
8. Welche Auskünfte kann die Bundesregierung über die Gruppierungen
"Nationales Einsatzkommando"' "Ku-Klux-Clan", "Wehrsportgruppe 1.
Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg" (Handbuch des Rechtsextremismus, a. a.
O., S. 636), die Wehrsportgruppen der NSDAP/AO und die Hersteller und
Verbreiter der Neonazi-Feindliste "Der Einblick"
(Verfassungsschutzbericht 1995, a. a. O., S. 127 f.) geben?
Zum "Nationalen Einsatzkommando" wird auf die Verfassungsschutzberichte
des Bundes 1991 (S. 102) und 1992 (S. 89, 96) verwiesen. Durch die
Bundesanwaltschaft wurde gegen diese Gruppierung wegen des Verdachts
der Beihilfe zum Versuch der Gründung einer terroristischen Vereinigung
ermittelt. Das Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Zur Wehrsportgruppe "1. Werwolf Jagdeinheit Senftenberg" wird auf den
Verfassungsschutzbericht des Bundes 1992 (S. 90) hingewiesen. Der
Anführer der Gruppe wurde 1994 durch das Landgericht Cottbus wegen
gemeinschaftlichen Mordes, räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer,
bewaffneten Raubes u. a. Straftaten zu 15 Jahren Freiheitsstrafe
verurteilt. Drei weitere Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen zwischen
drei und neun Jahren Jugendstrafe verurteilt.
Zur Publikation "Der Einblick" und deren Herstellern/Verbreitern wird
auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.
Der Ku-Klux-Klan ist in den USA in zahlreiche regionale
Untergruppierungen zersplittert und hat inzwischen erheblich an
Bedeutung verloren. Gegen einen mutmaßlichen Ableger des Ku-Klux-Klan
in Deutschland wurde wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a
Abs. 1 StGB ermittelt. Das Verfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO
eingestellt. Zur Zeit verfügt der Ku-Klux-Klan in Deutschland nicht
über eine organisierte Anhängerschaft.
Zu angeblichen Wehrsportgruppen der NSDAP/AO haben weder umfangreiche
Ermittlungen der Verfassungsschutzbehörden noch das Strafverfahren
gegen Gary Rex Lauck Hinweise geliefert.
9. Wie beurteilt die Bundesregierung neue Tendenzen wie das "Werwolf-
Konzept" oder den "führerlosen Widerstand" in der neonazistischen
Szene?
Es gibt keine Hinweise auf eine Umsetzung solcher Konzepte in der
Neonazi-Szene.
10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten ergriffen, um gegen neonazistische Untergrundgruppen
vorzugehen?
Auf die Antwort zu Frage 7. b) wird verwiesen.
11. Wie viele Ermittlungsverfahren nach § 129 a StGB (alle
Tatbestands-Alternativen) wegen Bildung terroristischer Vereinigungen
wurden jeweils in den Jahren 1990 bis 1996 gegen Linksextremisten und
Rechtsextremisten eingeleitet?
Wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a StGB wurden in der Zeit
von 1990 bis 1996 vom Generalbundesanwalt insgesamt 1 039
Ermittlungsverfahren eingeleitet, wobei in 464 Fällen der
Anfangsverdacht auf § 129 a Abs. 3 StGB gestützt war. Neun der wegen
des Verdachts einer Straftat nach § 129 a StGB eingeleiteten Verfahren
richteten sich gegen Beschuldigte, die dem Rechtsextremismus
zuzurechnen waren.
Aufgeschlüsselt nach Jahren und Tatbestandsalternativen ergibt sich
folgendes Bild:
Verfahren
insgesamt
Verfahren nach
§ 129 a Abs. 3 StGB
Verfahren aus dem rechtsextremistischen Bereich
1990
129
63
0
1991
186
89
0
1992
52
23
2
1993
150
66
0
1994
116
64
3
1995
287
124
1
1996
119
35
3
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des
Bundesministeriums des Innern vom 8. April 1997 übermittelt.
Die Drucksache enthält zusätzlich -- in kleinerer Schrifttype -- den
Fragetext.
08.04.1997 nnnn