Anmerkung der Redaktion: Das ist nicht der Originaltext der Erklärung, sondern die eine verkürzte Mitschrift.
Über ihre Radikalisierung: „Schon als ich Uwe Böhnhardt kennenlernte, bestand seine Kleidung aus Bomberjacke und Springerstiefeln. Er hatte Waffen. Mit Beginn unserer Beziehung veränderte sich mein Freundeskreis. Böhnhardts Freunde hatte eine intensivere nationalistische Einstellung als die von Uwe Mundlos. Es wurden nicht nur Lieder mit nationalistischem Inhalt gegrölt, sondern es erfolgten auch verschiedene Unternehmungen, Demonstrationen. Ihre Clique nannte sich Jenaer Kameradschaft, es gab vier bis fünf Mitglieder. Ich war aber kein Mitglied.“
Über Tino Brandt: „Aktiv wurde ich erst, als Tino Brandt kam. (Anmerkung der Redaktion: Brandt war von 1994 V-Mann des Verfassungsschutzes und bekam dafür nach eigenen Angaben rund 100.000 Euro.) Das veränderte alles. Tino Brandt wurde Mittelpunkt aller Aktionen. Er hat alle Gruppierungen koordiniert. Er war die Person, die Geld zur Verfügung stellte, und damit unsere Aktionen wie die Teilnahme an Gedenkmarschen erst ermöglichte. Brandt war derjenige, der Initiative ergriff. Man kann sagen, ohne Tino Brandt wären alle diese Unternehmungen nicht möglich gewesen.“
Über die Bombenattrappen: „Wir machten negative Erfahrungen mit der Polizei. Unsere Auftritte wurden in der Presse verfälscht wiedergegeben und falsch gewichtet. Wir wollten einen Gegenpol zu den Linken bilden und damit die Öffentlichkeit in Aufruhr versetzen. Die Situation wurde ernster nach den Hausdurchsuchungen. Zwischen 1996 und 1997 gab es mehrere Aktionen, an denen ich beteiligt war. Mit der Verwendung vom Bombenattrappen sollte die Aufmerksamkeit erhöht werden, aber keine Gefahr von Leib und Leben bewirkt werden. Davon bin ich jedenfalls ausgegangen.“
Garage: „1996 trennte sich Böhnhardt von mir, worunter ich sehr litt. Ich würde zu sehr klammern. Meine Gefühle waren aber immer noch dieselben. In den folgenden Wochen versuchte ich, Böhnhardt wieder zurück zu gewinnen. Deshalb mietete ich 1996 die Garage an, um dort Propagandamaterial zu lagern. Das war für mich ein voller Erfolg, ich traf mich wieder mit ihnen. Von der Existenz des Schwarzpulvers in der Garage habe ich erst 1997 erfahren, von TNT wusste ich bis zum Untertauchen Anfang 1998 nichts. Die Briefe mit Schwarzpulver an die Sparkasse Jena und die „Thüringische Landeszeitung“ habe ich abgeschickt. An den Bombenattrappe 1996 im Sportstadion, vor dem Theater und auf dem Hauptfriedhof war ich nicht beteiligt.“
26. Januar 1998, der Tag der Flucht aus Jena: „Uwe Böhnhardt erkannte, dass sich der Durchsuchungsbeschluss der Wohnung seiner Eltern (wo er wohnte, Anmerkung der Redaktion) auch auf die (von Zschäpe angemietete) Garage bezog. Er rief mich an, teilte mir mit: ‚Fackel ab‘. Ich habe eine 0,7-Liter-Flasche mit Benzin gefüllt, bin zur Garage gelaufen. Ich sah dort Personen, die ihr Auto reparierten. Dieser Umstand hielt mich davon ab, den Brand zu legen, zumal das Schwarzpulver explodieren könnte. Vom TNT wusste ich nichts. Heute vermute ich, dass ich mich wohl selbst in den Luft gejagt hätte. Ich fuhr in die Wohnung von Volker H., wo ich mich mit Böhnhardt traf. Wir machten uns Gedanken darüber, wie die Garage im Durchsuchungsbeschluss landen konnte. Mir war klar, dass ich als Mieterin der Garage für den Sprengstoff verantwortlich gemacht werden würde. Wir rechneten mit einer mehrjährigen Haftstrafe, und wollten das alles lieber aus der Ferne beobachten. Ich wollte mich nicht stellen, auch wegen der negativen Erfahrungen mit der Polizei. Wir sind dann nach Chemnitz zu Thomas St. gefahren, der das TNT geliefert hatte, wie mir Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sagten.“ Die späteren Wohnungswechsel in Chemnitz und nach und in Zwickau bestätigte Zschäpe wie in der Anklageschrift aufgelistet.
Überfälle: „Ende des Jahres 1998 hatten wir kein Geld mehr. Die Uwes schlugen einen Raubüberfall vor, ich war einverstanden. Angst vor dem Eingesperrt werden und die Liebe zu Uwe Böhnhardt hielten mich davon ab, mich zu stellen. Es wurde besprochen, dass die beiden ‚das Ding selbst durchziehen‘. Ich war nicht beteiligt, weder an der Vorbereitung noch an der Durchführung, habe aber profitiert. Ich wusste nicht, dass sie eine scharfe Pistole verwenden. Ich hatte nicht gewusst, wann und von wem sie sich eine scharfe Pistole besorgt hatte. Ich war entsetzt darüber. Sie sahen in mir eher eine Belastung als eine Hilfe und haben mir in gewisser Weise misstraut. Auch auf mehrfache Nachfrage sagten sie mir nicht, woher sie die Waffen hatten.“
Gründe, sich nicht zu stellen: „1999 hatte ich mehrfach angesprochen, dass wir uns stellen sollten. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sagten, nach dem Überfall sei das nicht mehr möglich: ‚Wir haben es verkackt.‘ Sie dachten an eine Auswanderung nach Südafrika. Ich dachte wieder darüber nach, mich zu stellen. Ich wandte mich am 7. März 1999 an Rechtsanwalt Eisenecker. Er wurde mir von Tino Brandt empfohlen. Ich vertraute ihm die bisherigen Aktionen an. Eisenecker sagte, ich hätte insgesamt mit einer Freiheitsstrafe von acht bis zehn Jahren zu rechnen. Seine Antrag auf Akteneinsicht wurde zweifach abgelehnt. Anfang November 1999 gab es telefonische Kontakt zu Tino Brandt, bei denen es um die Unterkunft in Deutschland und im Ausland ging. Brandt sagte, dass mindestens zehn Jahr Haft im Raum stünden. Im November 1999 sagte auch Eisenecker. „es werde wohl sehr heftig werden“. Im Oktober wurden zweimal Postfilialen in Chemnitz überfallen. Ich war weder an Vorbereitung und Durchführung beteiligt, aber ich hatte keine Zweifel daran, dass ich nun mit zehn Jahren Haft rechnen musste, sollte ich mich der Polizei stellen. Mir war völlig klar, dass es keine Rückkehr ins bürgerliche Leben geben könnte.“
Zum ersten Mord: „Von den Ereignissen des 9. September 2000 (an dem Tag wurde der Blumenhändler Enver Simsek in Nürnberg erschossen) habe ich nichts mitbekommen. Ich wusste von nichts. Ich wusste nicht, was sie vorhatten. Erst Mitte Dezember merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Uwe Mundlos berichtet mir, was passiert war. Ich war geschockt. Ich bin daraufhin ausgeflippt wegen dieser unfassbaren Tat. Auf meine Nachfrage sagte Uwe Mundlos, dass eh ‚alles verkackt‘ sei und es nun ‚zum knallenden Abschluss‘ gebracht werde. Ich konnte nicht glauben, was mir Uwe Mundlos erzählt hatte. Uwe Böhnhardt konnte doch sein eigenes Blut nicht sehen. Aber er bestätigte mir alles. Auf meine Frage, warum sie einen Menschen getötet hatten, erhielt ich keine Antwort außer allgemeinen Dingen, Perspektivlosigkeit, Frustration, so etwas. Es wurde mit keinem Wort erwähnt, dass der Mord politisch motiviert gewesen sei. Bis zum heutigen Tag weiß ich die wahren Motive nicht. Politische Gründe wurden mit keinem Wort erwähnt.“
Über den ersten Bombenanschlag in Köln: „Die Bombe hat Uwe Mundlos in seinem Zimmer gebaut. Böhnhardt hat sie im Geschäft deponiert. Ich hatte vom Bau der Bombe nichts mitgekommen, sie haben sie wohl gebaut, wenn ich zum Joggen unterwegs war. Als sie mir von der Aktion in Köln mitteilte, fragte ich sie, was sie mit der brutalen und willkürlichen Aktion gewollt hätten. Sie hätten ‚Bock darauf‘ gehabt, sagten sie. Es kamen mir erstmals Zweifel, wie ich beiden gefühlmäßig gegenüber stand. Die Kraft, mich der Justiz zu stellen, hatte ich jedoch nicht.“
Über die nächsten Morde, über die sie angeblich erst im Nachhinein erfuhr: „Ich war einfach nur sprachlos, fassungslos. Ich hatte nicht nach Details gefragt. Ich wollte es nicht hören. Ich fühlte mich wie betäubt. Ich hatte resigniert. Mir wurde bewusst, dass ich mit zwei Männern zusammenlebte, denen ein Menschenleben nichts wert war. Diesmal äußerten sie sich auch ausländerfeindlich. Ich fühlte mich einerseits von den Taten abgestoßen, war aber weiter zu Uwe Böhnhardt hingezogen, weshalb ich mich meinem Schicksal ergab. Ich musste feststellen: Die beiden brauchten mich nicht, ich brauchte sie. Ich befand mich im Zwiespalt der Gefühle. Für Mundlos hatte ich Gefühle, Böhnhardt liebte ich. Die Mordtaten lehnte ich ab. Aus diesem emotionalen Dilemma fand ich keinen Ausweg. Ich habe stundenlang auf sie eingeredet, mit dem Töten aufzuhören.“
Zum 2. Bombenanschlag in Köln, Keupstraße: „Ich bin davon ausgegangen, dass sie einen Raubüberfall begehen würden. Erst nach ihrer Rückkehr berichteten sie davon, dass sie eine Bombe gezündet hätten. Ich war einfach nur entsetzt. Ich verstand auch ihr Handeln nicht, weil es absolut sinnlos war. Sie sagten, sie wollten die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzten. Ich sah dann ihre Bilder im Fernsehen. Ich war mir sicher, dass sie erkannt worden waren. Sie fuhren auf irgendeinen Zeltplatz, ich hatte Angst, sie würden sich umbringen. Ab diesem Zeitpunkt vertraute ich ihnen nicht mehr, dass sie die Wahrheit über ihre Vorgaben berichten. Das Dilemma blieb aber. Deshalb war ich nicht in der Lage, Konsequenzen zu ziehen.“
Zu den Morden 2005 und 2006: „Im Verlauf der nächsten Jahre dachte ich, dass nichts weiter passiert war. Dann erzählten sie mir auch von den vier weiteren Morden aus dem Jahr 2005 und 2006. Die Örtlichkeiten und Tatort kenne ich erst aus der Anklageschrift. Ich spürte Fassungslosigkeit, Entsetzen und das Gefühl der Machtlosigkeit. Es war eine unendlich Leere in mir. Ich konnte die weiteren Dinge nur noch geschehen lassen. Ich nahm ihre Taten kaum mehr zur Kenntnis. Ich hatte mit den Morden nichts zu tun, aber das würde mir wohl niemand glauben. Ich trank drei bis vier Flaschen Sekt am Tag, ich vernachlässigte unsere Katzen, was für mich völlig untypisch war.“
Zum Mord an Michele Kiesewetter: „Sie hatten mich nicht informiert. Sie hatten mich nicht einmal informiert, dass sie wegfahren wollten. Ich bin, nachdem sie mir davon erzählten, ausgeflippt, wurde hysterisch, handgreiflich. Warum? Ich erhielt die unfassbare Antwort, dass es nur um die Pistolen der Polizisten ging. Das war der einzige Grund. Sie hätten Ladehemmungen bei den anderen Waffen gehabt.“
Zum 4. November 2011: „Sie (Böhnhardt und Mundlos) waren überfällig. Sie wollten ein Objekt für einen Raubüberfall auskundschaften. Ich erfuhr über das Radio von einem brennenden Wohnmobil und zwei Leichen. Ich war mir sofort sicher, dass sie es sind. In gewisser Weise war eine unglaubliche Leere in mir. Es war der Tag gekommen, vor dem ich mich immer gefürchtet hatte. Ich begann, ihre letzten Willen in die Tat umzusetzen. Ich nahm einen Kanister mit Benzin aus dem Keller, ging zur Nachbarin, um sie zu warnen. Ich hätte sie notfalls auch mit sanfter Gewalt nach außen begleitet. Ich klingelte mehrfach, ohne dass sie die Tür öffnete. Ich klingelte auch bei den übrigen Wohnungsinhabern. Danach tat ich die Katzen ins Körbchen, packte in eine Tasche zwei Flaschen Sekt und Schmerztabletten. Ich war mir sicher, dass die Handwerker aus dem Haus waren. Ich hätte auch niemals eine 89-järinge Frau in Gefahr gebracht. Das Feuer schoss durch den gesamten Raum. Alles, was sich in der Wohnung befand, sollte verbrennen. Ich selbst hatte nicht die Absicht, Beweise zu vernichten, um nicht mich selbst zu belasten, das wir mir völlig egal. Ich hatte nur den Gedanken, ich war alleine, ich hatte alles verloren, ich musste ihren letzten Willen erfüllen.“
Zum NSU: „Die erhobenen Vorwürfe entbehren einer sachlichen Grundlage. Mundlos hat sich im Herbst 2001 die drei Buchstaben NSU einfallen zu lassen, als Pseudonym, um dem ‚Weißen Wolf‘ (eine rechtsextremistische Zeitung) 1000 D-Mark zu spenden. Ich stritt mit ihm darüber, nicht das Geld für solche Aktionen auszugeben. Der Begriff NSU diente nur als Absender und als Erklärung für den Begleittext. Es kann daher überhaupt keine Rede davon sein, dass ich ein Gründungsmitglied des NSU gewesen sein soll. Es hat überhaupt keine Gründung stattgefunden. Der NSU war allein die Idee des Uwe Mundlos. Nie hat es Absprache darüber gegeben, dass man eine Gruppe war. Ich habe mich weder damals noch heute als Mitglied einer solchen Bewegung gesehen. Ich weise den Vorwurf der Anklage zurück. Ich habe mich nie mit den Mordtaten identifiziert oder dem ideologischen Hintergrund. Den 15-minütigen Bekennervideofilm habe ich erstmals in der Hauptverhandlung gesehen.“
Zschäpe bestätigt Morde des NSU – streitet aber jede Beteiligung ab
Martin Debes / 09.12.15 / TA
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