Wenn ein Richter mal Humor beweisen möchte
23. Februar 2016
von Andreas Stephan 23. Februar 2016
Foto: Symbolbild
Strafrichtern sagt man ja immer wieder mal nach, dass diese nicht gerade zu den humorvollsten Zeitgenossen gehören. Ein Vorsitzender Richter einer Strafkammer des LG Rostock wollte nun anscheinend mal das Gegenteil beweisen und erreichte damit, dass eines seiner Urteile vor dem BGH aufgehoben wurde.
Auf seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil war ein Bild zu finden, auf dem er mit einem Glas Bier in der Hand auf der Terrasse sitzt und ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ trägt. Darüber hinaus hat er auf seiner Facebook-Seite seine Arbeitsstelle mit „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“ angegeben, in der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich zu dem T-Shirt-Bild gab es einen Eintrag des Vorsitzenden, der lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick„. Dieser Eintrag wurde von einem anderen Nutzer mit den Worten: „…sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, wobei dieser Kommentar von zwei Personen mit einem „Gefällt mir“ markiert wurde, eine Person war der Richter selbst.
Diese „Entdeckungen“ machte der Verteidiger eines Angeklagten in einem Strafprozess vor dem LG Rostock, für welchen der Richter als Vorsitzender der großen Strafkammer zuständig war. In der Sache ging es um eine Anklage zweier Personen wegen des Vorwurfes des erpresserischen Menschenraubes.
Nach den Entdeckungen unternahmen die beiden Strafverteidiger zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages den Versuch, den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 24 StPO) abzulehnen, in erster Linie wegen seiner fragwürdigen Facebook-Präsentation.
Die dienstliche Stellungnahme des Richters dazu lautete schlicht: „Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern.“
Die beiden Ablehnungsgesuche der Angeklagten hat die 2. Strafkammer des LG Rostock im Ergebnis als unbegründet zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde hauptsächlich damit begründet, dass der Auftritt des Vorsitzenden bei Facebook ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich betreffe und offensichtlich humoristisch geprägt sei.
Anschließend hat das Landgericht den einen Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren, den anderen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten verurteilt. Beide legten gegen das Urteil Revision ein, sodass sich der 3. Strafsenat des BGH mit dem Fall zu befassen hatte.
Anders als das LG Rostock hat der BGH das Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Fall bejaht (§ 338 Nr. 3 StPO).
Die Begründung im Wortlaut: „Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 1 StR 726/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 23; Urteil vom 12. November 2009 – 4 StR 275/09, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 21). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt.“‚ Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvorgenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.“
Das Urteil des Landgerichts Rostock vom 22. April 2015 hat der BGH mitsamt den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des Landgerichts Stralsund zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Dass das Verfahren nicht an eine andere Kammer desselben Landgerichts, sondern direkt an ein anderes Landgericht zurückverwiesen wird, kommt eher selten vor und ist eine Ohrfeige für das LG Rostock. Im Übrigen war dies bereits die zweite Aufhebung einer Entscheidung des LG Rostock in diesem Strafprozess, was auch die Ohrfeige erklären könnte. Dazu weist der BGH noch darauf hin, dass das LG Stralsund gegebenenfalls bei der Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat auch die lange Verfahrensdauer in den Blick zu nehmen haben wird, ein Umstand der strafmildernd berücksichtigt werden kann.
Mittlerweile hat sich auch Uta-Maria Kuder, die Justizministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, zu dem Fall geäußert mit den Worten: „Es gebietet der Anstand jedes Einzelnen, sich in der Öffentlichkeit angemessen zu präsentieren“, was ihrer Ansicht nach für alle Bevölkerungsschichten gelte. Vom Präsidenten des Landgerichts Rostock forderte sie außerdem einen Bericht zu dem Vorfall und möchte wissen, ob das Gericht nun persönliche Konsequenzen für den abgelehnten Richter plane. Der Facebook-Auftritt des Strafrichters ist bereits gelöscht. Aktuell steht eine Versetzung an eine Zivilkammer im Raum. Eine abschließende Entscheidung ist dazu aber noch nicht gefallen.
Fundstellen:
Burhoff Online Blog
BGH, Beschluss vom 12.02.2016 – 3 StR 482/15
gefunden auf:
justillon.de/2016/02/wenn-ein-richter-mal-humor-beweist/_____________
So geht Befangenheit;-)