Das Gutachten des Prof. Feltes enthält durchaus versteckte Kritik an der Vorgehensweise des BKA, die Feltes jedoch ständig am Ende relativiert.
Ich nehme nicht an, dass viele Mitglieder des Edathy-Untersuchungsausschusses sein Gutachten vollständig gelesen haben. Die Erpressbarkeit von Edathy wird dort – ungewollt- mehr als deutlich!
Der Bochumer Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Feltes gehört zu den vier Sachverständigen, die im sog. Edathy-Untersuchungsausschuss angehört werden. Am morgigen Mittwoch (24.9.2014, 15 Uhr) wird Feltes sein Gutachten in Berlin vorstellen.
aktuell.ruhr-uni-bochum.de/meldung/2014/09/meld02244.html.deProfessor Dr. iur. Thomas Feltes M.A.
Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft
Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
Massenbergstr. 11
44787 Bochum
thomas.feltes@rub.de
Gutachten
für den 2. Untersuchungsausschuss in der 18. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages1
Untersuchungsauftrag: BT-Drs. 18/1948
Fertigstellung der schriftlichen
Version des Gutachtens am 10.09.2014
S. 7-8:
September 2011: Das BKA wurde von den kanadischen Behörden kontaktiert und es wurde mitgeteilt, dass die Kundendatenbank der Firma „Azov Film“ sichergestellt wurde, in der sich Hinweise auf Besteller mutmaßlich kinderpornographischer Video- und Filmaufnahmen befinden.
Oktober 2011: Übergabe der Kundendatenbank (450 GB) an Beamte des BKA ihm Rahmen eines Lehrgangs in Selm.
10. Januar 2012: Beginn der Grobsichtung; Zufallsfund des BKA-Beamten X durch eine BKA-Mitarbeiterin, die mit der Grobsichtung der Datei befasst war. Anfertigung einer Einzelakte zum Vorgang „X“.
01. Februar 2012: Abgabe des Vorgangs zu dem BKA-Beamten X an die Staatsanwaltschaft Mainz.
05. Juli 2012: Telefonische Ankündigung des BKA über die Operation Selm bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität.
Juli bis September 2012: Kategorisierung des Beweismaterials und Erstellung von Auswertungsvermerken.
30. Oktober 2012: Einspielung der aufbereiteten Kundenliste in das Vorgangsbearbeitungssystem des BKA. Zum Ablauf heißt es in der Pressemitteilung des BKA-Präsidenten vom 21.03.2014:
„Am 30.10.2012 wurden im Vorgangsbearbeitungssystem
800 Einzelvorgänge zu den Beschuldigten der Operation ‚Selm’ – darunter auch Sebastian Edathy – automatisiert angelegt. Da zum Zeitpunkt der automatisierten Erfassung im BKA
nicht bekannt war, dass es sich bei einem der Tatverdächtigen um den Abgeordneten Sebastian Edathy handelte, wurde für den Vorgang standardmäßig keine besondere Zugriffsbeschränkung festgelegt.“
November 2012 bis September 2013: Priorisierung anderer Verfahren …
S. 21:
Im November 2012 wurden dann die 16 Bundesländer um Unterstützung beim Abgleich von Adressen gebeten.52
Weiter wurde „die Liste an alle Landeskriminalämter verschickt, und zwar nur auf Ebene der Spezialisten der Dienststellen für Kinderpornographie.“
(52 Pressemitteilung des BKA vom 24. Februar 2014)
S. 22:
Konkret geht es um die Bewertung der folgenden Vorgänge:
1. Bereinigung und Sortierung der Liste: Vor- und Nachnamen waren zum Teil vertauscht. So kam es beispielsweise vor, dass einzelne Personen mehrere Bestellungen durchführten, diese aber nicht nacheinander gelistet waren, da zum Teil die Vornamen an führender Stelle angegeben waren.
S. 23
Das BKA hat danach den gesamten (von ihm aufbereiteten) Datensatz an alle
Landeskriminalämter gegeben, von wo aus die weitere Steuerung zu den örtlichen Polizeibehörden erfolgte.
S. 25:
Dem BKA musste allerdings nach Abbruch der Grobsichtung bewusst gewesen sein, dass angesichts der vorrangig zu bearbeitenden, anderen Arbeiten vorerst keine Ressourcen auf die Operation Spade/Selm verwendet werden können.
Es ist daher zu fragen, warum die Liste nicht unbearbeitet an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurde. Immerhin enthielt die Datei bereits Angaben zur Identifizierung der Verdächtigen, sodass die Ermittlungsarbeit – der Kompetenzverteilung folgend – vor Ort hätte durchgeführt werden können. Dies hätte zur weiteren Folge haben können, dass ggf. bereits laufende örtliche Strafverfahren mit einem weiteren Verfahren hätten verbunden werden können.
Auch hätten so Verstöße gegen Auflagen der Bewährungshilfe oder der Führungsaufsicht bei Betroffenen festgestellt werden können oder man hätte herausfinden können, wer z.B. beruflich oder ehrenamtlich mit Kindern oder Jugendlichen arbeitet.
Allerdings ist hier zu berücksichtigen.
S. 28:
Am 10. Januar 2012 stieß eine Mitarbeiterin des BKA im Zusammenhang mit einer ersten Sichtung der aus Kanada stammenden Daten auf den ihr persönlich bekannten BKA-Beamten „X“. Nach Feststellung des Namens brach die Mitarbeiterin den Grobsichtungsvorgang ab.
Der Name des Beamten „X“ ist damit bereits bei der Grobdurchsicht des dem BKA aus dem Ausland zugegangenen Materials entdeckt worden. Der Vorgang wurde herausgelöst, sofort gesondert bearbeitet und am 01. Februar 2012 an die
für den Wohnsitz des „X“ zuständige Staatsanwaltschaft in Mainz übergeben. Die Hausdurchsuchung bei „X“ erfolgte am 13. April 2012, also fast 2 ½ Monate später. Danach wurden disziplinarrechtliche Maßnahmen ergriffen, die vermutlich die vorläufige Dienstenthebung und die Aussetzung des Disziplinarverfahren im Hinblick auf Strafverfahren umfassten. Näheres zu diesem Komplex ist nicht bekannt.
Der Fall wurde danach vom BKA selbst bearbeitet, um, so Ziercke in einer Pressemitteilung vom 12. März 2014, Ermittlungen nicht zu gefährden und schnellstmöglich eventuell notwendige Personalentscheidungen treffen zu können.
S. 29:
Der Ablauf der Zusammenarbeit mit der für den BKA-Beamten X zuständigen Staatsanwaltschaft lässt sich der BT-Drs. 18/931 entnehmen.64
Demnach hat die mit der Grobsichtung betraute BKA-Beamtin die Ermittlungen nach dem Zufallsfund abgebrochen und ihren unmittelbaren Dienstvorgesetzten benachrichtigt. Weiter heißt es dort wörtlich: „Die Mitarbeiterin des BKA wurde in der Folge damit beauftragt, das kanadische Beweismaterial im Hinblick auf den BKA-Beamten auszuwerten, um eine entsprechende Einzelakte zur Vorlage bei der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft zu erstellen.“
64 BT-Drs. 18/931, S. 4.
S. 30: politisch korrekte „Schlussfolgerung“ des Prof. Feltes
Letztlich ist die vorgezogene und selbstständige Bearbeitung des Vorgangs „X“ durch das BKA nicht zu beanstanden.
S. 31:
Aus kriminologischer Sicht hätte das BKA vielleicht gut daran getan, das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten nicht selbst führen sondern an eine andere Strafverfolgungsbehörde (z.B. das LKA Hessen) abzugeben. Aus verschiedenen
Studien wissen wir, dass Ermittlungen gegen Mitarbeiter der eigenen Behörde immer mit großen Schwierigkeiten und Fallstricken verbunden sind. Das BKA hätte hier – auch im eigenen Interesse – den Fall baldmöglichst abgegeben können.
Warum diese Überlegung, aus Gründen der Neutralität und Objektivität den Vorgang an andere Polizeibehörde abzugeben, nicht erwähnt wird, kann nicht beantwortet werden.
S. 32: politisch korrekte „Schlussfolgerung“ des Prof. Feltes
Im vorliegenden Fall war es aber angebracht und angemessen, die Ermittlungen vor der Abgabe an die Staatsanwaltschaft BKA-intern zu führen.
www.kriminologie.ruhr-uni-bochum.de/images/stories/pdf/2014_Edathy_Gutachten%20Feltes.pdfWar bei Edathy auch Vor- und Nachnahme vertauscht? Ansonsten hätte Edathy direkt nach dem Beamten „X“, also nach dem leitenden Kriminaldirektor Karl-Heinz Dufner, alphabetisch aufgeführt sein müssen.
Da entdeckt eine BKA-Beamtin bei der Durchsicht der Liste einen Kollegen, dazu noch einen Kriminaldirektor. Sie wendet sich sofort an ihren unmittelbaren Dienstvorgesetzten. Anstatt ihr den Auftrag zu erteilen, den Rest der Liste nach weiteren bedeutsamen Personen durchzusehen und die Ermittlungen gegen Dufner umgehend an eine andere Strafverfolgungsbehörde abzugeben, wird sie nun umgehend mit der Ermittlung gegen ihren eigenen Kollegen beauftragt. Davon weiß sie ja ohnehin schon...
BT-Drs. 18/931
dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/009/1800931.pdfAuf S. 4 steht hierzu u. a.:
Am 10. Januar 2012 rief eine Mitarbeiterin des BKA die von den kanadischen Behörden übermittelten digitalen Beweismaterialien auf, um sich im Rahmen einer Grobsichtung einen ersten Überblick zu verschaffen. Dabei öffnete sie auch eine Excellliste, in der die Bestellungen aller deutschen Kunden bei der Firma Azovfilms enthalten sind. Die Mitarbeiterin scrollte durch die Liste und stieß dabei zufällig zunächst auf den Nachnamen eines ihr namentlich bekannten BKA-Mitarbeiters; sie entdeckte dann noch weitere Bestellungen unter dem Vornamen dieses BKA-Mitarbeiters...
In der Folge erstellte die Mitarbeiterin eine Kopie der Excelliste, … und begann diese aufzubereiten… Da die Mitarbeiterin des BKA von ihren sonstigen Aufgaben nicht freigestellt wurde, war ihr dies nur neben ihren anderen Aufgaben möglich, so dass die Aufbereitung erst Mitte Juli 2012 abgeschlossen werden konnte…
Die Beauftragung der internen Ermittlungen muss über Ziercke gelaufen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Ziercke diese Liste dann desinteressiert beiseitegelegt hat. Es hätten ja noch weitere Namen von Mitarbeitern seiner Behörde darauf stehen können. Wenn Ziercke nur ein wenig weiter gelesen hat, muss er den ihm bekannten Edathy entdeckt haben!
Edathy dürfte noch nicht auffliegen, Ziercke musste noch vor dem NSU-Untersuchungsausschuss aussagen und Edathy war sicherlich Mitte Januar 2012 bereits als möglicher Vorsitzender im Gespräch oder bekannt.