Stammt aus
VAWS-Pressebüro
Der V-Mann im Fall Solingen
Geargwöhnt hatte er nichts, gesehen oder gehört hatte er nichts, und hinterher hat er trotz eifrigster eigener »Recher-
chen und Überlegungen« auch nichts herausgefunden. Auf diesen kurzen Nenner läßt sich die Selbstdarstellung des V-
Mannes des Verfassungsschutzes, Bernd Schmitt, bringen.
Der Treffpunkt der rechten Szene in Solingen, die Kampfsportschule »Hak-Pao« wurde von einem V-Mann des nordrhein-
westfälischen Verfassungsschutzes geleitet. Sein Name: Bernd Schmitt. Drei der vier Angeklagten im Solinger Mordprozeß nahmen
zeitweise dort an dem Training teil. Nach der Aussage von Felix K. (17) hatte Schmitt mit dem Argument geworben: dort sollten »Special
Forces« zum Schutz von Rechten und Skins ausgebildet werden.
Wie in solchen Fällen üblich, verweigerte die Spitze der Verfassungsschutzbehörde eine eindeutige Stellungnahme. Der
nordrhein-westfälische Innenminister Schnoor (SPD) verheimlichte länger als ein Jahr, daß der Verfassungsschutz einen V-Mann ins
Zentrum der rechten Solinger Szene plazierte (warum?). Als Schnoor sich schließlich gezwungen sah, den V-Mann doch preiszugeben
und ihn damitzu »verbrennen«, rief er ihm immerhin noch nach, daß dieser Bernd Schmitt einer »der wichtigsten Informanten des Ver-
fassungsschutzes in der rechtsextremistischen Szene« gewesen sei.
Warum hat der V-Mann des Verfassungsschutzes unmittelbar nach dem Brandanschlag umfangreiches Aktenmaterial aus seiner
Kampfsportschule wegschaffen lassen? Ein dreiviertel Jahr später fand die Polizei das Material. Es waren u. a. Anleitungen zum Bau
von Molotowcocktails, Observationsprotokolle und genaue Lage-skizzen von überwiegend von Ausländern bewohnten Häusern in
Bonn, Köln und Wuppertal. Es bedurfte erst eines Artikels im »SolingerTageblatt«, bevor sich die zuständige Düsseldorfer Staats-
anwaltschaft mit diesem Fund beschäftigte.
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den V-Mann des Verfassungsschutzes ein.
Im August 1994 meldete die »WAZ«, daß Beamte der Anti-Terror- Einheit GSG 9 ebenfalls in der Solinger Kampfsportschule »Hak
Pao« trainiert haben sollen und beruft sich dabei auf zwei Zeugen vor dem Oberlandesgericht.
Erwähnenswert bleibt noch, daß der V-Mann des Verfassungs-schutzes 17mal vorbestraft ist. Gefährliche Körperverletzung, Dieb-
stahl und Betrug gehen auf sein Sündenregister.
Hatte der V-Mann einen staatlichen Auftrag, der dazu führte, daß in Solingen dieses schreckliche Ereignis über viele Monate hinweg die
Medien und die Köpfe der Menschen beschäftigte? Warum hatte Schnoors Spitzen-V-Mann Anleitungen zum Bau von Molotowcock-
tails versteckt?
Rolf Bossi, der Anwalt der Angeklagten, tobte während einer Verhandlung gegen die mutmaßlichen Brandstifter im Verhandlungs-
saal, weil, so berichtet der »Kurier« vom 18. Juli 1993, »die Richter wild zum Verurteilen entschlossen sind«.
Bossi verteidigt den Angeklagten nicht mehr. Grund: »Der Vater muß zahlen, und es ist sinnlos, weiteres Geld auszugeben für eine
Tätigkeit, die am schon feststehenden Urteil nichts mehr ändert.« Bossi sucht »die wahren Täter in Politik und Justiz«.
Quellen: »Frankfurter Rundschau«, 04.08.1994, »KURIER«,18.07.1993, »Westdeutsche Allgemeine Zeitung«, 05.08.1994, »die
tageszeitung«, 28.05.1994, »SüddeutscheZeitung«, 11.08.1994.
Christian R. - Ein Angeklagter im Prozeß um den Solinger BrandanschlagAuf der Suche nach den Motiven für den Brandanschlag in Solingen wuden die Sonderermittler des BKA vor allem bei dem 16jährigen
Christian R. fündig. Sie kommen zu dem Schluß: Es handelte sich nicht um eine geplante, zielgerichtete politisch motivierte Tat (!),
sondern um das eher »zufällige Ergebnis einer brisanten Mischung aus Alkohol, Zerstörungswut und dumpfem Ausländerhaß«.
Die Ermittler entnehmen dies umfangreichen Akten, die sie in einem Erziehungsheim der evangelischen Diakonie in Neukirchen-Vluyn
(bei Krefeld) beschlagnahmten. Christian R. hatte acht Jahre im Heim gelebt.
Der Jugendliche war für Verfassungsschutz und politische Polizei ein »unbeschriebenes Blatt«. Er war nicht Mitglied einer rechtsex-
tremen Gruppe, gehörte auch nicht Skinhead-Gruppen an.
Bekannt war Christian dagegen in den Kommissariaten, die sich mit Körperverletzungen und Zerstörungsdelikten befassen. Schon mit
sechs Jahren - so geben die Heimakten preis - erwies sich der Junge, der ohne Vater aufwuchs, als »verhaltensgestört«. Er attak-
kierte regelmäßig Spiel- und Schulkameraden mit Steinen und warf Gegenstände von Brücken. Seine alleinerziehende Mutter und die
Lehrer wurden nicht mit ihm fertig.
Mit acht Jahren kam Christian auf Veranlassung seiner Mutter in das Heim der »Freiwilligen Erziehungshilfe«. «Seither haben sich die
Erzieher an ihm die Zähne ausgebissen», sagte ein Betreuer.
Von Gleichaltrigen wurde der Junge abgelehnt, weil ihnen seine Anfälle von blinder Zerstörungswut unheimlich waren. Wegen »be-
schränkter Intelligenz« war er für pädagogische Einflußnahme nur begrenzt zugänglich.
»Er ist ein Kind unserer Gesellschaft, in der schlimme Gewalterfahrungen gemacht und nachhaltige Desorientierungen erfahren
werden«, sagte Heimleiter Pastor Rudolf Weth. »Auch wenn vielen Jugendlichen heute rechtsradikale Parolen überdie Lippen gingen,
habe das mit politischen Hintergründen nicht unbedingt etwas zu tun.«
Im Verlauf der Vernehmungen kamen die Ermittler dahinter, daß der Junge »eigentlich gegenüber allen Menschen feindlich« eingestellt
ist.
Quelle: »Welt am Sonntag«, 06.06.1993
»Du bist tot, Junge, tot, tot, tot«
Solingen: Vorwürfe gegen Polizisten
... Der Richter Steefen will von Christian B. mehr wissen. Da bricht es aus dem 21jährigen heraus. Er, der sich im Gericht immer um
»cooles« Auftreten bemüht, hat plötzlich Tränen in den Augen. Einer der Beamten habe sein Gesicht ganz nah an seins gehalten und
immer wieder gedroht: »Du bist tot, Junge, tot, tot, tot«. Ein anderer sagte: »Wenn wir dich laufen lassen, ziehen wir dich zwei Tage
später von Türken todgeprügelt aus der Gosse.« und »Sag besser die Wahrheit, sonst machen wir dich zum Haupttäter. Dann kriegst
du 20 Jahre Knast«. Außerdem: »Wr stecken dich zu den schwulen Türken in die Zelle«. Das alles habe ihm Angst eingejagt, eine Angst,
wie er sie nie zuvor gehabt habe, erklärte Christian B. Damals wie heute sagt er, daß er mit dem Anschlag nichts zu tun
habe: »Ich hoffe, daß jetzt die Wahrheit rauskommt.«
Seine Mutter hatte zuvor ausgesagt, daß ihr Sohn über den Brand völlig entsetzt gewesen sei.
Ein Beamter des Bundeskriminalamtes hat eingeräumt, daß einer der mutmaßlichen Brandstifter von Solingen von Ermittlungsbeam-
ten massiv unter Druck gesetzt wurde. Der 37jährige Kriminalhauptkommissar sagte im Zeugenstand, daß »derartige
Äußerungen« tatsächlich gefallen seien. Dies habe ihm »ein Kollege« ausdrücklich bestätigt.
Quelle: »Abendzeitung«, 19.05.1994, »HNA.« 19.05.1994, »Süd-
deutsche Zeitung«, 09.06.1994
Einige original Zeitungsberichte aus dieser Zeit wären natürlich prima.