Die Entschlossenheit, mit der die Ermittler
laut Protokoll von einem Alleintä-
ter ausgehen, verblüfft. Hatten doch mehrere
Zeugen, vor allem ein
junger Mann namens
Frank L.,
LOL, der V-Mann-Hinterlader
Köhler kurz vor dem Anschlag
beschrieben. Der Zeuge Frank L. erklärte,
Köhler sei in Begleitung zweier Männer
gewesen, mit denen er diskutiert habe.
Zahlreiche Zeugen beschrieben ebenfalls
weitere Personen an Köhlers Seite.
Und doch hat die bayerische Sonderkommission
und die Bundesanwaltschaft
den Täter auch beim Abschluss ihrer Ermittlungen
als liebeskummerkranken Versager
beschrieben, der mit großer Wahrscheinlichkeit
spektakulär Selbstmord begehen
wollte. Die rechtsradikalen Verbindungen
Köhlers betrachtete man nur am
Rande. Dabei war auch damals schon allen
bekannt, dass es sich bei jenem Studenten
Köhler um einen handelte, der Verbindungen
zu einem Tübinger Studentenring und
zur Wiking-Jugend hatte. Und auch zur
Wehrsportgruppe Hoffmann, die der
rechtsextreme Karl-Heinz Hoffmann aus
Ermreuth in Franken um sich scharte. Diese
Kontakte waren schon kurz nach dem
Anschlag bekannt geworden.
Aus der seit Anfang dieses Jahres im
Bundesarchiv zugänglichen BND-Akte
Nummer 206 geht auch hervor, dass der
Bundesnachrichtendienst damals eine
in
Libanon gegründete und als Mittäter für
das Attentat infrage kommende Zelle observierte.
Diese Gruppe, die Hoffmann
dort in einem Lager der Fatah alte Bundeswehrfahrzeuge
reparieren ließ, präsentierte
zwar ein Alibi, eine angebliche Entführung,
für die Zeit des Oktoberfestattentats.Häh? ? ? Operation Wandervogel mit V-Mann Behle lässt man weg, dafür eine Entführung? Frei erfunden?
.
Doch wer die BND-Akte aus den Jahren
1980 und 81 liest, der kann dort auch zahlreiche
Belege finden, wie sehr die Geheimdienstler
selbst an der kuriosen Geschichte
zweifelten, die kurz vor dem Anschlag
beginnt und kurz danach endet. Ein sehr
großer Zufall.
Die BND-Leute notierten: Wer wann in
Libanon ein- und ausreise, sei von den Behörden
überhaupt nicht überprüfbar. „Da
die PLO auf dem Flughafen Beirut völlig ungehindert
operiert, kann sie jederzeit unter
Umgehung der behördlich vorgeschriebenen
Formalitäten Personen ein- und ausschleusen;
alle Angaben über Reisebewegungen
behördlich nicht erfasster Personen
sind daher mit größter Vorsicht zu genießen“,
heißt es in einem Bericht über die
Reisebewegungen der Deutschen in Libanon.
Das heißt: Die Entführungsstory
kann die Verschleierung dafür sein, dass
ein Team der Wehrsportgruppe aus Libanon
ausreiste und unerkannt nach
Deutschland kam – womöglich für das Attentat.
Es gibt zahlreiche Akten über die Beschattung
der Wehrsportgruppe im Libanon.
Nur war das bisher alles unter Verschluss.
Erst allmählich rückt der BND die
Akten heraus. Rechtsanwalt Werner Dietrich,
der all die Jahre dafür gekämpft hat,
dass das Verfahren wieder aufgenommen
wird, sagt jetzt: „Ich gehe davon aus, dass
ich nun die Akten ungeschwärzt bekomme,
auch die vom Bundesnachrichtendienst.“